"Büchlein für Arme und Kranke auf dem Land geschrieben.." 
      Kneipp: 'Meine Wasser-Kur' S.254
    Meine Wasser-Kur
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    Was du tust, mein lieber Leser, das tue vernünftig und überschreite 
    nie das rechte Maß! Auch die Anwendung des Vollbades soll in der Woche 
    die Zahl von drei in der Regel nicht übersteigen.
    
    Wann soll ich am besten diese Bäder beginnen?
    
    Die wichtige Arbeit, den Körper abzuhärten oder, was gleichbedeutend 
    ist, ihn gegen Krankheit zu schützen, widerstandsfähig zu machen, 
    kann nie früh genug begonnen werden. Fange gleich heute noch an, aber 
    fange an mit leichteren (s. Abhärtungsmittel), nicht gleich mit schwereren 
    Übungen! Du könntest sonst leicht den Mut verlieren! - Unsere kalten 
    Vollbäder wirst du beginnen können, wenn du kräftig bist, vielleicht 
    nach kurzer Vorbereitung, wenn du schwach bist, unter Umständen erst 
    nach längerer Vorübung.
    
    Es ist dieses ein sehr wichtiges Kapitel. Nur nicht unvermittelt, plötzlich, 
    mit den strengsten Mitteln etwas forcieren, erzwingen wollen! Das ist zum 
    mindesten Unverstand.
    
    Ein Arzt riet einem am Nervenfieber Erkrankten, er soll 1/4 Stunde ins kalte 
    Wasser gehen. Der Kranke tat es, bekam aber darnach solchen Frost, daß 
    er in Zukunft von einem solchen Heilbade natürlich nichts mehr wissen 
    wollte, es verwünschte und verfluchte. Die Erklärung des Sachverständigen 
    ging einfach dahin: nach solchen Erfahrungen sei klar, man könne bei 
    dem Kranken das Wasser nicht ferner in Anwendung bringen, der Kranke sei im 
    übrigen verloren. Mit diesem Todesurteil kam man zu mir. Ich gab den 
    Rat, der Aufgegebene solle doch nochmal das Wasser probieren, aber statt 1/4 
    Stunde nur 10 Sekunden (hinein und hinaus) im Wasser bleiben, der Erfolg müsse 
    ein anderer sein. Gesagt, getan; in wenigen Tagen erholte sich der Kranke.
    
    Bei derartigen Vorkommnissen drängte sich mir stets die Meinung auf, 
    man wende das Wasser absichtlich in solch schroffer, unbegreiflich gewalttätiger 
    Weise an, um das Volk, anstatt mit Vertrauen, mit Schrecken vor diesem nassen 
    Wauwau zu erfüllen. Ich bin ein sonderbarer Mensch, ich weiß es; 
    drum wird man mir solche Einfälle nicht hoch anrechnen.
    
    Solche, denen es ernst ist, mögen nach Anwendung der Abhärtungsmittel 
    zuerst noch die Ganzwaschungen (s. Waschungen) beginnen und dieselben, wenn 
    sie das Waschen vor Schlafengehen nicht aufregt und wach erhält, abends 
    vor dem Bettgehen, sonst in der Frühe beim Aufstehen vornehmen. Abends 
    verliert man gar keine Zeit auch früh ist in 1 Minute alles fertig. Wer 
    nicht gleich an die 
    
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    Arbeit oder in tüchtige Bewegung kommt, soll sich nochmals (bis zur Trocknung 
    und Erwärmung) 1/4 Stündchen niederlegen.
    
    Diese Übung, wöchentlich 2-4 mal vorgenommen, was genügt, oder 
    täglich praktiziert, bildet die beste Vorbereitung zu unserem kalten 
    Vollbade. Man versuche es nur einmal! Dem ersten Unbehagen wird bald ein bis 
    ins Innerste hinein wohltuendes Behagen folgen, und was früher gescheut 
    und gefürchtet war, wird bald fast Bedürfnis werden.
    
    Ein mir bekannter Herr ging 18 Jahre hindurch allnächtlich in sein Vollbad. 
    Ich hatte es ihm nicht vorgeschrieben; aber er wollte die Übung durchaus 
    nicht lassen. In den 18 Jahren war er keine Stunde lang krank.
    
    Andere, die in einer Nacht 2-3 mal in die Badewanne stiegen, mußte ich 
    zurückhalten, es ihnen verbieten. Wäre die Übung sie hart oder 
    unausstehlich angekommen, wie man so oft ausschreit und ausheult, sie hätten 
    es sicherlich bleiben lassen. -
    
    Wer es mit der Abhärtung, mit der Erhaltung seiner Gesundheit, mit seiner 
    Kräftigung ernst meint, fasse das kalte Vollbad recht ins Auge,[8] lasse 
    es aber bei dem guten Vorsatze allein nicht bewenden.
    
    Kräftige Völker, Geschlechter, Familien sind stets treue Freundedes 
    kalten Wassers, gerade unseres Vollbades gewesen. Je mehr unser Zeitalter 
    den Charakter und Namen des verweichlichten bekommt, um so höhere Zeit 
    ists, zurückzukehren zu den gesunden, natürlichen (nicht verkünstelten 
    und unnatürlichen) Anschauungen und Grundsätzen der Alten.
    
    Noch gibt es manche, besonders hochadelige Familien, angesehene Männer, 
    welche gerade unsere Wasseranwendung gleichsam als Haustradition und als ein 
    zur Gesundheitspflege überaus wichtiges Erziehungsmittel ansehen und 
    ihrem Stamme, ihren Nachfolgern gesichert wissen wollen.
    
    Wir brauchen uns also unserer Sache nicht zu schämen. -
    
    
b) Das kalte Vollbad für Kranke.
    Bei Beschreibung der einzelnen Krankheiten (im dritten Teile) wird genau 
    angegeben werden, wann und wie oft es zur Verwendung kommen soll. Nur einige 
    Bemerkungen von mehr allgemeiner Natur mögen hier ihre Stelle finden.
    
    Eine kräftige Natur, ein gesunder Organismus ist imstande, die Krankheitsstoffe, 
    welche sich ansetzen wollen, selbst auszuscheiden.
    
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    Dem kranken und durch Krankheit geschwächten Körper muß man 
    beispringen, ihn unterstützen, daß er anfange, diese Arbeit selbst 
    wieder zu tun. Vielfach geschieht diese Unterstützung durch das kalte 
    Vollbad, das in solchem Falle als vortreffliche Krücke oder Stab, als 
    Kräftigungsmittel dient.
    
    Die Hauptanwendung findet es indessen bei den sogenannten hitzigen Krankheiten, 
    d. h. bei all jenen Krankheiten, welche als Vorboten und Begleiter heftige 
    Fieber haben. Die Fieber von 39-40° und darüber sind am meisten zu 
    fürchten; sie rauben alle Kraft, brennen die Hütte des menschlichen 
    Körpers gleichsam elendiglich nieder. Mancher, den die Krankheit verschont, 
    wird ein Opfer der Schwäche. Zusehen und Zuwarten, was sich aus einem 
    so schrecklichen Feuerbrande wohl entwickeln möge, scheint mir bedenklich 
    und folgenschwer zu sein. Was soll da alle Stunden einen Eßlöffel 
    voll, was das teuere Chinin, was das wohlfeile Antipyrin, was die giftige 
    Digitalismixtur, deren Folgen für den Magen wir alle kennen? Medikamente 
    sind und bleiben bei solchen Bränden doch recht schwache Hilfs- oder 
    Fieberstillungsmittel. Was sollen endlich jene künstlichen Berauschungsmittel, 
    die man dem Kranken eingibt oder einspritzt, die ihn in der Tat berauschen, 
    daß er nichts mehr weiß, nichts mehr fühlt, nichts mehr empfindet? 
    Ganz abgesehen vom moralischen und religiösen Standpunkte ist es wahrlich 
    erbärmlich, so einen halb eingeschlummerten, vielmehr berauschten Kranken 
    zu sehen, wie er daliegt mit entstellten Zügen, mit verdrehten Augen. 
    Wird das helfen? Bei solchem Fieberfeuer hilft gar nichts als das Löschen. 
    Feuer und Brände löscht man mit Wasser, den allgemeinen Körperbrand, 
    wo gleichsam alles in hellen Flammen steht, am gründlichsten durch das 
    Vollbad. Bei jedem neuen Aufflackern, d. h. so oft die Hitze, die Bangigkeit 
    groß wird, vielleicht im Anfange des Fiebers jede halbe Stunde erneuert, 
    wird es, früh genug angewendet, bald Herr des Feuers sein (s. Entzündungen, 
    Scharlach, Typhus u. a.).
    
    Früher schon hörte ich, daß man in großen allgemeinen 
    Krankenhäusern für arme Kranke, welche das teuere Chinin nicht auftreiben 
    konnten, häufig die Badewanne gebrauchte, in den letzten Zeiten durchlief 
    manche Zeitungen die mir freudige Kunde, daß man besonders in großen 
    Militärspitälern Österreichs wieder angefangen habe, gewisse 
    Krankheiten wie den Typhus mit Wasser zu behandeln. Warum, so möchte 
    ich fragen, nur den Typhus? Warum nicht mit logischer Notwendigkeit all 
    jene Krankheiten, die als giftige Früchte aus den Fieberpilzen hervorwachsen? 
    Wer A sagt, 
    
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    muß B sagen. Mit Spannung warten viele auf das B, darunter auch manche 
    Leute vom Fach.
    
    Eine Bemerkung, die vielleicht besser bei den Waschungen stünde, möge 
    gleichwohl hier sich anreihen. Nicht alle Kranken sind imstande, die Vollbäder 
    zu benützen; manche sind vielleicht schon derart geschwächt, daß 
    sie weder selbst sich heben und wenden, noch aus dem Bette gehoben werden 
    können. Müssen solche Kranke der Kaltwasseranwendung verlustig gehen? 
    Durchaus nicht. Unsere Wasser-Anwendungen sind so mannigfaltig, und jede einzelne 
    Anwendung hat wieder so viele Grade und Stufen, daß der Gesündeste 
    wie der Schwerkranke das für ihn und seinen Zustand Passende finden kann. 
    Nur darum handelt es sich, die Anwendung gut auszuwählen.
    
    Für einen Schwerkranken, der wegen zu großer Schwäche unfähig 
    ist, die kalten Vollbäder zu gebrauchen, dienen als Ersatz die Voll- 
    oder Ganzwaschungen, die bei jedem, auch dem schwächsten Kranken leicht 
    im Bette vorgenommen werden können. Wie sie zu geschehen haben, sehe 
    man bei den Waschungen. Sie werden wie die Vollbäder so oft wiederholt, 
    als der Hitze- oder Bangigkeitszeiger einen hohen Grad, eine hohe Ziffer aufweist.
    
    Gerade bei solchen ans Bett gefesselten Schwerkranken hüte man sich doppelt 
    vor dem großen Fehler einer zu schroffen Anwendung. Man würde stets 
    das Übel ärger machen.
    
    Ich könnte jemanden nennen, der elf Jahre bettlägerig und ebensolange 
    Zeit in ärztlicher Behandlung war. Auch Wasser-Anwendungen waren versucht 
    worden; alles scheiterte. Nach der Heilung dieser Person, die in sechs Wochen 
    erfolgte, erklärte der Arzt selbst, die Sache komme ihm wie ein Wunder 
    vor. Er besuchte mich persönlich und wollte wissen, was denn geschehen. 
    Der ganze Hergang sei ihm um so unbegreiflicher, als nach seinem Dafürhalten 
    nicht mehr die geringste Tätigkeit in dem Körper vorhanden war und 
    seine sämtlichen Anwendungen mit Wasser ohne Erfolg blieben. Ich nannte 
    dem Herrn den einfachen Hergang und die noch einfacheren Wasserübungen. 
    Wir beide sahen ein, einen glimmenden Kienspan löscht man nicht mit der 
    Feuerspritze aus; sein Wasser war zu schroff, das meinige sachte, langsam, 
    den Fassungskräften des elenden Körpers entsprechend zur Anwendung 
    gekommen.
    
    Mich hat es oft erbarmt, daß man hören und lesen muß, wie 
    in manchen Anstalten und Häusern Leute 10, 20 und mehr Jahre das Bett 
    nie mehr verlassen können. Das sind bedauernswürdige Geschöpfe. 
    So etwas begreife ich übrigens nicht und 
    
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    habe es nie begriffen, ganz wenige Ausnahmefälle abgerechnet; es hat 
    ja auch die heilige Schrift ihren 38jährigen Kranken. Ich bin der festen 
    Überzeugung, daß gar vielen dieser Betthüter und Betthüterinnen 
    durch die einfachsten, mit Ausdauer und Pünktlichkeit fortgesetzten Wasseranwendungen 
    wieder auf die Beine zu helfen wäre.
    
    
2. Das warme Vollbad
    dient wie das kalte für Gesunde und Kranke.
    
    Die Art und Weise, wie es genommen wird, ist eine zweifache.
    
    Man steigt einmal in die mit Warmwasser so hoch angefüllte Badewanne 
    (a), daß das Wasser den ganzen Körper überspült, kein 
    Teil bloß, d. i. über Wasser, liegt. In dem Bade verweilt man 25-30 
    Minuten, dann geht man rasch in eine danebenstehende Wanne (b), die kaltes 
    Wasser enthält, und taucht bis an den Kopf, nicht mit dem Kopfe, unter, 
    oder in Ermangelung dieser zweiten Badewanne wäscht man den ganzen Körper 
    möglichst rasch kalt ab.
    
    

 Fig. 4.
    
    In einer Minute muß das kalte Bad, die kalte Waschung fertig sein. Schnell, 
    ohne abzutrocknen, wirft man sich in die Kleider und macht bis zur völligen 
    Trocknung und Erwärmung Bewegung (mindestens eine halbe Stunde) im Zimmer 
    oder im Freien. Landleute können ruhig und sofort wieder zur Arbeit zurückkehren. 
    Das Badewasser hat bei diesem ersten Bade eine Temperatur von 26-28°, 
    bei älteren Personen von 28-30°C. Ich rate, mit einem 
    
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    Thermometer, das man leicht bekommt, mit Vorsicht und genau zu messen. Es 
    genügt nicht, das Quecksilberröhrchen hineinzustecken ins Warme 
    und sofort wieder herauszuziehen, dasselbe muß einige Zeit im Wasser 
    belassen werden. Erst das Ruhigstehen des flüssigen Silbers gibt an, 
    daß gut und lange genug gemessen sei. Wer immer das Bad bereiten mag, 
    nehme es mit der Bereitung und der damit verbundenen Verantwortung ernst. 
    Gleichgültigkeit und Schlendrian sind nirgends weniger am Platze als 
    bei derart wichtigen Diensten der Nächstenliebe.
    
    Die zweite Art, dieses Bad zu nehmen, ist folgende:
    
    Die Badewanne wird gefüllt wie das erstemal, das Badewasser aber hat 
    die höhere Temperatur von 30-35°C.Über die Zahl 35 sollen bei 
    dieser Art Bäder die Wärmegrade nie steigen (wann, in welchen Fällen 
    sie zur Anwendung kommen soll, muß stets extra gesagt sein), unter die 
    Zahl 28 nie fallen; durchschnittlich rate und bereite ich sie selbst mit 31-33°C.
    
    Bei diesem Bade geht man nicht 1 mal, sondern 3 mal ins Warme, nicht 1 mal, 
    sondern 3 mal ins Kalte. Es ist dieses Bad das sogenannte warme Vollbad mit 
    dreimaligem Wechsel. Das ganze Bad dauert akkurat 33 Minuten; die verschiedenen 
    Wechsel verteilen sich auf diese Zeit also (man lege die Uhr auf ein Stühlchen 
    neben die Wanne und zähle gut):
    10 Minuten in das Warme,
    1 Minute in das Kalte,
    10 Minuten in das Warme,
    1 Minute in das Kalte,
    10 Minuten in das Warme,
    1 Minute in das Kalte.
    
    Mit Kalt muß ohne Ausnahme stets abgeschlossen werden. Gesunde, kräftige 
    Leute setzen sich in die Wanne mit kaltem Wasser und tauchen langsam bis an 
    den Kopf unter. Empfindsame Personen setzen sich und waschen rasch Brust und 
    Rücken[9] ab, ohne unterzutauchen. Eine Ganzwaschung tut jedem, der die 
    kalte Wanne zu sehr fürchtet, dieselben Dienste. Der Kopf wird nie naß 
    gemacht. Sollte er naß geworden sein, so trockne man ihn ab; ebenso 
    trockne man beim letzten Heraussteigen aus der kalten Wanne von allen Körperteilen 
    die Hände allein, damit selbe beim Anziehen der Kleider diese nicht naß 
    machen.
    
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    Bezüglich des Weiteren, insbesondere bezüglich der nach dem Baden 
    notwendigen Bewegung gilt genau das beim ersten Bad Gesagte.
    
    Ich schulde hier einige Bemerkungen.
    
    Warme Bäder allein, d. i. ohne darauffolgende kalte Bäder oder kalte 
    Waschungen, verordne ich niemals. Die erhöhte Wärme, zumal wenn 
    sie längere Zeit andauert und einwirkt, stärkt nicht, sie schwächt 
    und macht den ganzen Organismus schlaff; sie härtet nicht ab, sie macht 
    die Haut gerade noch empfindsamer gegen alle Kälte; sie schützt 
    nicht, sie bringt Gefahr. Das Warmwasser öffnet die Poren; es dringt 
    kalte Luft ein, und die Folgen zeigen sich schon in den nächsten Stunden. 
    Sämtlichen Übelständen helfen die auf die warmen Bäder 
    folgenden Kaltbäder oder Kaltwaschungen (ich kenne keine warme Wasser-Anwendung 
    ohne die darauffolgende kalte) gründlich ab; das frische Wasser stärkt, 
    die erhöhte Wärme herunterdrückend; es erfrischt, die überflüssige 
    Hitze gleichsam wegwischend; es schützt, die Poren schließend und 
    die Haut fester machend.
    
    Dasselbe Vorurteil von der plötzlichen Kälte, die auf die Wärme 
    folgt, begegnet uns hier schon wieder. Gerade mit Rücksicht auf die folgenden 
    Kaltbäder können und müssen die Warmbäder in höherer 
    Temperatur, als sonst normal ist und ich unter anderen Umständen raten 
    würde, gegeben werden. Der Körper wird mit soviel Wärme erfüllt, 
    gleichsam gewappnet, daß er den Anstoß der eindringenden Kälte 
    gut aushalten kann. Wer beim ersten Male zu sehr vor der kalten Wanne zurückschrecken 
    sollte, nehme eine Ganzwaschung vor. Er wird Mut bekommen. Es kommt alles 
    nur auf die erste Probe an. Wer es einmal versucht hat, nimmt schon des Wohlbehagens 
    wegen nie mehr ein warmes Bad ohne das darauffolgende kalte. Vielen, die anfangs 
    vor Angst gezittert, später aber sich an den merkwürdig wirkenden 
    Wechsel gewöhnt, denselben liebgewonnen haben, mußte ich strenge 
    Grenzen ziehen, daß das Übermaß des Guten ihnen nicht zum 
    Übel werde.
    
    Das Prickeln, das Krabbeln in der Haut, welches man beim Wiedereinsteigen 
    vom kalten ins warme Bad, besonders an den Füßen lebhaft verspürt, 
    darf niemanden beängstigen; es wird einem später ein angenehmes 
    Frottieren.
    
    Besondere Vorbereitungen, um z. B. die richtige Wärmetemperatur im Körper 
    herzustellen, sind bei beiden Arten dieses Vollbades nicht notwendig.
    
    Auch hier wie bei allen Warmbädern benütze ich nie oder 
    
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    höchst selten bei Gesunden Warmwasser allein; ich mische stets Absud 
    von verschiedenen Heilkräutern bei.
    
    
a) Das warme Vollbad für Gesunde.
    Wenn ich Gesunden, d. h. relativ Gesunden (gesunden aber schwachen Menschen), 
    warme Vollbäder verordne, so geschieht dieses nur dann, wenn solch geschwächte 
    Leute zu den Kaltwasserbädern sich nicht entschließen können, 
    und allein zu dem Zwecke, sie durch das Warmbad mit folgender kalter Waschung 
    allmählich fürs frische Kaltbad vorzubereiten und reif zu machen.
    
    Meine Grundsätze und meine Praxis sind in diesem Stücke folgender 
    Art:
    
    Ganz gesunden und kräftigen Naturen, deren frisches, gerötetes Aussehen 
    gleichsam selbst Wärme und Lebensfeuer sprüht, gebe ich warme Bäder 
    selten, fast nie. Sie verlangen auch nicht darnach, sie streben wie der Fisch 
    ins kalte Wasser.
    
    Jüngeren, schwächlichen, blutarmen, nervösen Personen rate 
    ich es als gut, besonders jenen, welche Anlage zeigen zu Krämpfen, Rheumatismen 
    und ähnlichen Gebrechen. Die Hausmütter, welche so frühe schon 
    durch alle möglichen Mühseligkeiten aufgerieben werden, mögen 
    hier obenan stehen. Jeden Monat ein solches Bad mit 28°C. und folgender 
    kalter Abwaschung, 25-30 Minuten dauernd, würde genügen.
    
    Bei Anlage zu Gliedersucht, Gicht, Podagra sind zwei solcher Bäder in 
    jedem Monat besser als eines.
    
    Zur Sommerszeit sollen die jüngeren Personen die kalten Vollbäder 
    versuchen.
    
    Bejahrten, schwächlichen Leuten empfehle ich der Reinlichkeit der Haut, 
    der Auffrischung und Stärkung wegen wenigstens allmonatlich ein warmes 
    Vollbad mit 28-30°C. von 25 Minuten Dauer mit abschließender kräftiger 
    Abwaschung. Sie werden jedesmal infolge der erhöhten Transpiration (Hauttätigkeit) 
    und der lebendigeren Zirkulation (Umlauf) des Blutes wie neu aufleben.
    
    
b) Das warme Vollbad für Kranke.
    In welchen Krankheiten das warme Vollbad anzuwenden sei, das besagen die einzelnen 
    Krankheitsfälle. Beide Arten desselben kommen in Verwendung, und man 
    hat bei gehöriger Vorsicht und Pünktlichkeit durchaus nichts zu 
    fürchten.
    
    Die Bäder verfolgen einen doppelten Zweck:
    
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    im einen Falle sollen sie durch Zufuhr von Wärme die Körperwärme 
    erhöhen, vermehren, im anderen Falle mitwirken zur Auflösung und 
    Ausleitung von Stoffen, welche der kranke Körper allein aus eigener Kraft 
    nicht mehr entfernen kann.
    
    Die warmen Vollbäder werden bereitet als:
    Heublumenbäder,
    Haferstrohbäder,
    Fichtenreiser- (Nadel-) Bäder,
    gemischte Bäder.
    
    Die Bereitung und Wirkung der 2 ersten Bäder wurde der Hauptsache nach 
    schon bei der Abhandlung über das warme Sitzbad angegeben. Nur einige 
    Punkte seien der Vorsicht halber wiederholt.
    
    
aa) Das Heublumenbad.
    Ein kleines Säckchen mit Heublumen angefüllt kommt in einen Kessel 
    heißen Wassers und bleibt mindestens eine Viertelstunde im Sude. Der 
    ganze Absud wird in die mit Warmwasser bereitstehende Wanne geschüttet 
    und die Mischung, bis sie die vorgeschriebene Temperatur erreicht hat, mit 
    warmem oder kaltem Wasser aufgefüllt. Dieses Bad, das leichteste und 
    häufigste, ist eigentlich das unschuldigste, das normale Bad zum Wärmen 
    des Körpers. Auch Gesunde können es jeder Zeit benützen. Bei 
    mir zu Hause geht mancher Wassermann, von solchem Heublumenduft umschwängert, 
    Dorf auf und ab. Das kaffeebraune Wasser öffnet eindringlich die Poren 
    und löst Anstauungen im Körper auf.
    
    
bb) Das Haferstrohbad.
    Nachdem ein ordentliches Büschel Haferstroh in einem Kessel siedenden 
    Wassers eine halbe Stunde lang gesotten, verfährt man mit dem Absude 
    wie oben.
    
    Dieses Bad wirkt stärker als das Heublumenbad und ist bei Nieren- und 
    Blasenbeschwerden, bei Stein-, Gries- und Gichtleiden vorzüglich.
    
    
cc) Das Fichtenreiser- (Nadel-) Bad
    wird also bereitet: Man nimmt Fichtennadeln, je frischer, desto besser, 
    klein zerhackte Ästchen (Reiser), selbst recht harzige, gleichfalls zerschnittene 
    Tannenzapfen und siedet die ganze Masse, bunt durcheinander geworfen, 1/2 
    Stunde in heißem Wasser. Mit dem Absude verfährt man wie oben. 
    Auch dieses Bad hat günstigen Einfluß auf Nieren- und Blasenleiden; 
    doch schwächeren als das 
    
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    Haferstrohbad. Seine Hauptwirkung betrifft die Haut, welche es zur Tätigkeit 
    spornt, und die inneren Gefäße, welche es stärkt. Dieses wohlduftende 
    und stärkende Fichtennadelbad ist so recht das obenerwähnte Bad 
    der älteren Leute.
    
    
dd) Gemischte Bäder
    nenne ich jene, bei denen, wenn gerade das notwendige Quantum irgend einer 
    dieser Heilpflanzen abgeht, die Absude von mehreren zusammengegeben werden 
    in ein Bad. Am häufigsten habe ich so gemischt die Absude von Heublumen 
    und Haferstroh, indem schon die Pflanzen zusammen gekocht wurden. Das Haferstrohbad 
    wird auf diese Weise auch wohlriechender.
    
    Bäder wären schon gut, sagt mir einer, das weiß ich; aber 
    die Sache kommt zu teuer und ist viel zu umständlich.
    
    Mit Recht könnte mir derjenige meiner Leser diesen Einwand erheben, welchen 
    ich nach Reichenhall, nach Karlsbad oder sonst einem Bade schicken, oder welchem 
    ich etwa verordnen wollte, er solle die kleinen, schwarzen, sorgfältig 
    verpfropften, teueren Fichtennadelextrakt-Fläschchen kaufen und in jedes 
    Bad die Hälfte oder ein Dritteil des Inhaltes gießen.
    
    So aber hat niemand auch nur den geringsten Grund zur Klage, zur Entschuldigung 
    zu einem Einwande. Der Ärmste selbst kann sämtliche Bäder mit 
    Leichtigkeit bereiten und er hat in jedem Falle den reinsten Extrakt, wie 
    er ihn echter und unverfälschter an keinem Orte bekommen kann.
    
    Gerade für ärmere und unbemittelte Leute habe ich solche Bäder 
    lange Zeit gesucht, damit auch sie der Wohltat des Bades, das auf die Gesundheit 
    vielfach so großen Einfluß übt, nicht ganz verlustig gehen 
    müssen.
    
    Der Reisen bedarf es dazu nicht, höchstens eines Ganges auf den Heu- 
    oder Stroh-Speicher oder in den nahen Wald. Kosten tun die Bäder auch 
    nur ein paar Schritte oder ein gutes Wort. Heublumen und ein Büschel 
    Haferstroh schenkt jeder Bauer jedem Armen; keine Tanne versagt ihm ihre Zapfen 
    und ihr grünes Reisig. Eine hölzerne Stande (Zuber, Schaff) hat 
    doch ein jeder unter dem Hausrate; im Notfalle borgt sie der Nachbar gerne.
    
    Dieses genüge bezüglich des Kostenpunktes.
    
    Was die Mühe, die Umständlichkeit abgeht, so stelle ich einzig die 
    Frage: Ist es für dich, für deine Angehörigen weniger umständlich, 
    wenn du wochenlang aufs Krankenlager geworfen wirst, 
    
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    oder wenn der verwahrloste, über Gebühr geschwächte und nie 
    erfrischte, niemals neu aufgerichtete Körper langsam dahinsiecht?
    
    Von Mühe und Arbeit kann da gar nicht die Rede sein; ich müßte 
    es Bequemlichkeit und Trägheit nennen, wem immer es zu viel wäre, 
    meinen allergeringsten Anforderungen zu entsprechen. Wer solche Gesinnung 
    hegen würde, verdiente in der Tat gar kein solches Bad.
    
    
3. Die Mineralbäder.
    An dieser Stelle schulde ich ein Wort über die Mineralbäder, wegen 
    deren ich sehr oft schon befragt wurde.
    
    Meine unmaßgebliche Ansicht über diesen Punkt ist folgende. Ich 
    kann nach all den Grundsätzen meiner Wasserkur nicht dafür sein, 
    weil ich alles Forcierte, alles Gewaltsame nicht billige, ganz gleich, ob 
    von außen nach innen oder direkt nach innen gewirkt wird. Mein Urteil 
    lautet und wird immer lauten: Die gelindeste Anwendung ist die beste, ob es 
    sich nun um die Wasserheilmittel, oder ob es sich um Medizinen usw. handle, 
    und wer mit einer Anwendung seinen Zweck erreicht, soll ja keine zweite gebrauchen. 
    Wir müssen der Natur, dem kranken oder geschwächten Organismus sachte 
    an die Hand gehen, nicht streng und stürmisch; wir müssen den kranken 
    Körper sozusagen milde und leicht an der Hand führen, ihm bisweilen 
    helfend und stützend unter die Arme greifen, aber ihn nicht allzusehr 
    drängen, ihn nicht zerren und stoßen; wir müssen nicht durch 
    dies und das absolut etwas einwirken wollen, sondern nur mitwirken, daß 
    der Körper mit seiner Arbeit fertig werde, und sofort von dieser gelinden 
    oder gelindesten Mitwirkung abstehen, sobald der Körper allein sich weiterzuhelfen 
    weiß.
    
    Niemandem wird es, um ein Beispiel meines Verfahrens anzuführen, entgangen 
    sein, daß er die allbekannten Wurzel- und Drahtbürsten, die Frottiertücher 
    usw. bei mir nicht findet. Ich habe diese Sachen früher angewendet, wenn 
    auch nur in vereinzelten Fällen, aber die Erfahrung gemacht, daß 
    das Wasser allein ohne diese doch mehr oder weniger gewaltsamen Manipulationen 
    (der arme Körper hat dann auch zu aller Arbeit hin noch die gekneteten 
    und gebürsteten Muskeln und die ebenso bearbeitete Haut in Ordnung zu 
    bringen) die besten Wirkungen tut, wenn es nur richtig angewendet wird. Den 
    Frottierdienst versieht bei mir den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch 
    das grobe Linnen- oder Reistenhemd, welches ich hiermit warm empfehle.
    
    Der Name Mineralbad schon deutet eine strenge 
    
    63
    Wirkung an. All diese Wasser, heißen sie, wie, und fließen sie, 
    wo sie wollen, enthalten mehr oder weniger, gelindere oder schärfere 
    Salze. Solche Salzwasser, von außen nach innen angewendet, kommen mir 
    vor - man verzeihe den Ausdruck - wie der Fegwisch und der körnige Sand, 
    welche ich zum Putzen, zum Reinigen des Silbers oder noch edleren Metalles 
    anwenden wollte. Silber und Gold sind zart und fein. Sind das die inneren 
    Organe weniger? Ein Hauch trübt das Silber, rauhe Putzmittel verletzen, 
    verwunden es. Es wird bei solcher Bearbeitung wohl blank; Fegwisch und Sand 
    nehmen den Staub und Schmutz gründlich weg. Ja nur allzu gründlich, 
    und lange wird das Silberzeug solche Behandlung, besser gesagt Mißhandlung, 
    nicht aushalten. Die Anwendung brauche ich nicht zu machen, auch nicht lang 
    und breit zu erklären, an welch empfindsamem, weichem, überaus 
    edlem Metall solche Wasser ihre Reinigungsarbeit vornehmen.
    
    Und was sagt denn die Erfahrung zu dieser Behauptung?
    
    In großen Badestädten trägt man vielfach die Heimgegangenen 
    nicht am Tage, sondern in der Nacht, nicht mit Gesang und Musik, sondern in 
    aller Stille, um die Lebenden nicht unangenehm zu berühren und zu inkommodieren, 
    auf den Friedhof zur letzten Ruhestätte. Aber man trägt manche, 
    ziemlich viele hinaus. Es stirbt jährlich eine ziemlich große Anzahl 
    Menschen in den verschiedensten Bädern. Der oder die war in dem 
    und dem Jahre das erstemal hier, heißt es; es ist ihm, ihr 
    vortrefflich bekommen. Das alte Leiden kam wieder, und er, sie 
    ging wieder hin. In dem und dem Jahre war er das zweitemal dort, 
    sagen die Angehörigen, aber es bekam ihm weniger gut. Das Übel 
    kehrte in erhöhtem Grade zurück; er ließ es sich nicht nehmen 
    und reiste ein drittes Mal hin. Er kehrte sichtlich gekräftigt zurück, 
    er schien prächtig kuriert zu sein. Aber er kehrte nur zurück, um 
    daheim zu sterben. Manchem erspart der frühe Tod an Ort und Stelle noch 
    die Reisekosten. Diese Geschichte und ähnliche andere habe ich 
    zu unzähligen Malen erzählen hören.
    
    Wer der Zerstreuung und der Gesellschaft wegen und rein zu äußerlichem 
    Gebrauche derlei Orte besucht, hat obiges nicht zu fürchten; er hat nur 
    mit seinem Geldbeutel zu rechnen, der vor allem anderen in die erbarmungsloseste 
    Kur genommen und gründlich ausgepumpt wird.[10]
    
    64
    Auch gewöhnliche, selbst Bauersleute, denen der Kopf nicht mehr an der 
    rechten, der demütigen Stelle steht, welche die besseren, studierten, 
    gebildeten und fortgeschrittenen Menschen nachahmen, nachäffen wollen, 
    besuchen zwar keine Badestadt, - daran verhindert sie zum Glück der Herr 
    Habenichts in der Hosen- und Westentasche, - aber sie fangen allerlei verkehrte 
    Sachen an.
    
    Zu mir kam einst ein Bauer und sagte: So, jetzt habe ich das beste Mittel 
    zur Reinigung des Körpers gefunden; es ist eine Art von Heilwasser und 
    ich nehme dasselbe öfters. Worin besteht es denn? fragte 
    ich ihn. Nach einigem Zögern gestand er, daß er einen Löffel 
    Salz in Wasser auflöse und das Salzwasser nüchtern trinke. Das putze 
    sauber aus, und es sei ihm lieber (natürlich dem aufgeklärten, aber 
    geldschwindsüchtigen Springinsfeld!) als das beste Mineralwasser. Ich 
    warnte den Bauern, aber er ließ sich von seiner von ihm selbst erfundenen 
    Kur nicht abbringen. Er trank noch eine Zeitlang fort; dann aber bekam er 
    Magen- und Verdauungsbeschwerden, Blutarmut und starb, erschöpft und 
    entkräftet und ausgefegt in den besten Mannesjahren.
    
    Also immer hübsch bescheiden und vernünftig bleiben und niemals 
    einen Reichen und Vornehmen, dem scheinbar Besseres geboten wird und zu Gebote 
    steht, beneiden! Das wäre unchristlich und töricht.
    
    Auch solche sollst du nicht schief ansehen, die wegen Kränklichkeit und 
    Anlage zur Schwindsucht usw. sogenannte klimatische oder Luftkurorte besuchen 
    können, die nach Meran gehen oder nach Südfrankreich oder nach Italien 
    oder gar nach Afrika. Ich denke mir immer: für den Fisch ist der beste 
    Ort das Wasser, für den Vogel das herrlichste Heim die frische Luft und 
    die freie Natur; für mich das zuträglichste, das günstigste 
    Klima der Ort, an dem, die Gegend, in der Gottes Schöpferhand mich gebildet 
    hat. Will die Luft mir zu rauh werden, nun, dann suche ich mich abzuhärten; 
    auch in Krankheiten wird mir das heimatliche Wasser die gleichen Dienste tun 
    wie jenes, das in fremden Landen fließt. Soll ich sterben nach Gottes 
    Willen, gut, einmal muß es doch sein, und die heimatliche Erde, sagt 
    man, deckt leichter; in ihr ruht es sich besser und friedlicher.
    
    Welches sind denn die jährlich von neuem approbierten Erfahrungen auch 
    über solche mild oder hoch gelegene Luft-Badestätten?
    
    Ich stelle nur die zwei Fragen: Wie viele von denen, die wirklich krank dahin 
    flüchteten, sind gründlich geheilt heimgekehrt? Ferner:
    
    65
    Wie viele sind für immer, besonders in den wärmeren Kurorten, geblieben 
    und dort begraben worden!
    
    So bleibe im Lande, nähre dich redlich und wasche dich täglich!
    
    
V. Teilbäder.
    Ich fasse die folgenden Bäder unter dem Namen Teilbäder zusammen, 
    einmal, weil sie einzelne Körperteile betreffen, vorzüglich aber, 
    um dieser Kleinigkeiten wegen nicht noch weitere größere Abschnitte 
    machen zu müssen.
    
    
1. Das Hand- und Armbad.
    Der Name besagt genug, und an Ort und Stelle wird bei den betreffenden Krankheiten 
    gesagt sein, wann und in welchen Fällen diese Bäder anzuwenden sind, 
    ob kalt, ob warm, wie lange, ob 2-3 Minuten, ob eine Viertelstunde, wie oft 
    zu wiederholen, in welchem Kräuterabsud usw.
    
    Bezüglich der Anwendung genüge die eine Bemerkung:
    
    Es hat z. B. jemand einen bösen Finger. Ich wirke nicht allein auf den 
    Finger, sondern auch auf die Hand, auf den Arm, auf den ganzen Körper. 
    Der böse Finger ist nur eine böse Frucht des bösen Zweiges, 
    des bösen Astes, des bösen Stammes. Ist der Stamm in Ordnung, liefert 
    er genügenden und guten Saft, so muß auch die Frucht eine gute 
    werden.
    
    Die Anwendungen, resp. die Verbesserung der Zweige und Äste, d. i. der 
    Hand und des Armes, geschehen neben den Wickeln durch die Hand- und Armbäder.
    
    
2. Das Kopfbad.[11]
    Zu den wichtigsten Teilbädern zählt das Kopfbad. Dasselbe kann kalt 
    oder warm, am besten in folgender Weise genommen werden.
    
    Man stellt ein Gefäß mit Wasser auf einen Stuhl und hält den 
    Oberkopf (s. Abbildung), den eigentlichen Haarboden, ins kalte Wasser ungefähr 
    1 Minute, ins warme 5-7 Minuten. Soweit das Wasser am Hinterhaupte die Haare 
    nicht berührt, kann mit Aufgießen durch die hohle Hand nachgeholfen, 
    d. h. es können die trocken gebliebenen Haare gleichfalls benetzt werden.
    
    

 Fig. 5.
    
    66
    Nach dem Bade soll man die Haare sorgfältigst abtrocknen. Ja immer, sei 
    es, daß sie durch Guß oder Dampf naß werden, und ich rate 
    große Vorsicht und Genauigkeit an, da bei Vernachlässigung leicht 
    schwere Kopfleiden, wie Kopfrheumatismus u. a., die Folge sein könnten. 
    Nach der Abtrocknung bleibe man im Zimmer oder setze eine die ganze nasse 
    Haarfläche bedeckende Mütze auf, bis Kopfhaut und Haare völlig 
    trocken sind.
    
    Viele wenden ein kürzeres Verfahren im Kopfbade an, besonders junge Leute 
    vom Lande. Sie tauchen ihren Kopf öfters nacheinander unter im Brunnentroge 
    wie die Enten im Teiche oder halten den Kopf unter die Röhre. Es tut 
    ihnen wohl so. Ganz recht! Sie sollen es nur nicht zu arg (zu lange und zu 
    oft) treiben und die Regeln des Abtrocknens gut merken.
    
    Gut ist das kalte Kopfbad dem, der kurzgeschnittenes Haar hat. Bei langem 
    Haare[12] dringt das Wasser schwerer durch auf die Haut, - was eigentlicher 
    Zweck des Bades ist, - und die Trocknung schreitet langsamer voran. Solchen 
    rate ich stets das warme Kopfbad an wegen seiner längeren Dauer.
    
    Die Kopfbäder verordne ich zuweilen gegen Kopfleiden - dann sind es immer 
    kalte und kurze -, meistens jedoch solchen Personen, bei denen der Haarboden 
    insbesondere der Tummelplatz aller möglichen Geschwüre und Geschwürchen, 
    flechtenartiger, trockener Ausschläge, eine förmliche Fundgrube 
    von Schuppen und Staub und gar noch von anderem ist, was freilich eher und 
    besser die Nacht als der Tag, nur nicht das Haar bedecken sollte. Mitunter 
    bekommen diese auch warme Kopfbäder von längerer Dauer, abschließend 
    mit kalter Übergießung oder kalter Abwaschung.
    
    Ich mache auf diese Kopfbäder wohl aufmerksam. Wenn auf dem Lande, im 
    kleinen Häuschen und im noch kleineren Stübchen den ganzen Winter 
    hindurch die ohnedies kleinen Seh- und Luftlöcher, Fenster genannt, niemals 
    geöffnet werden, so entsteht zuletzt eine Luft, die man förmlich 
    schneiden kann und die jeden eintretenden Fremden mit Wucht zurückschlägt.
    
    67
    Und wenn in einer Stube nie gereinigt, nie aufgewaschen wird, wie muß 
    dann zuletzt der Boden aussehen?
    
    Kann es dem armen Haarboden anders gehen, wenn die langen Haare oder die zwei- 
    oder dreifachen Kopfumhüllungen das halbe Jahr hindurch keinen Lufthauch 
    und keinen Sonnenstrahl hineindringen lassen auf die ohnedies im verborgenen 
    lebende Kopfhaut? Und wenn da nie ein Wasser oder eine Lauge gründlich, 
    recht gründlich ihre Arbeit tut, wie mag es zuletzt aussehen?
    
    Auch da kann sich ein Morast von Krusten usw. bilden, eine Fäulnis, und 
    manche Mutter weiß zu erzählen, was solche Fäulnis zeitigt.
    
    Leider ist nur zu wahr: die Kopfpflege wird vielfach sehr vernachlässigt. 
    Man wäscht jahraus, jahrein jeden Morgen sein Gesicht und meint, damit 
    sei es abgetan. Damit ist es noch lange nicht abgetan. Ich empfehle die Kopfpflege 
    im Interesse der notwendigen Reinlichkeit, dann der Gesundheit der Jungen 
    wie der Erwachsenen; in erster Linie soll sie den Müttern empfohlen sein.
    
    
3. Das Augenbad
    ist kalt oder warm zu nehmen. Man bereitet es in beiden Fällen seinen 
    Augen folgendermaßen: Man taucht das Gesicht in das kalte Wasser ein, 
    öffnet die Augen und läßt diese ¼ Minute gleichsam 
    baden. Dann erhebt man sich, setzt ungefähr ¼-½ Minute 
    aus und taucht Stirne und Augen von neuem ein. Die Wiederholung kann geschehen 
    4-5 mal. Das warme (24-26°C.) Augenbad soll stets mit kalt abschließen, 
    sei es, daß man das letzte Bad kalt nimmt, oder daß man zum Schlusse 
    die Augen mit frischem Wasser abwäscht. Desgleichen sei das Badewasser 
    nicht warmes Wasser allein, sondern wieder Kräuterwasser. ½ Löffel 
    gemahlener Fenchel oder Absud von Augentrost haben mir stets gute Dienste 
    geleistet.
    
    a) Das kalte Augenbad wirkt vortrefflich bei gesunden, aber schwachen Augen. 
    Es stärkt und erfrischt den ganzen Sehapparat in seinen inneren und äußeren 
    Bestandteilen.
    
    b) Das warme Augenbad (lauwarm) wird verwendet, um Geschwülste am äußeren 
    Auge aufzuweichen und ungesunde dicke eiterige Flüssigkeit in dem inneren 
    Auge zu lösen und auszuziehen.
    
    
C. Dämpfe.
    Wie unsere sämtlichen Wasseranwendungen, so wirken auch die Dämpfe 
    in der gelindesten Form und deshalb durchaus 
    
    68
    ungefährlich und unschädlich. Gleichwohl erheischt die Anwendung 
    der Wasserdämpfe große Vorsicht. Was den Kranken, der richtig und 
    nach Vorschrift anwendet, gesund macht, kann bei Nachlässigkeit und Sichgehenlassen 
    einen Gesunden krank machen. Wer z. B. unmittelbar nach einem Dampfbade ohne 
    vorhergehende Abkühlung ins Freie, an die kühle Luft tritt, kann 
    nicht nur krank, er kann tödlich krank werden, die Anwendung ist daran 
    so unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Diese erste Bemerkung soll zur Vorsicht, 
    nicht zur Ängstlichkeit ermahnen. Ich wiederhole, daß bei richtigem 
    Gebrauche niemals eine, selbst nicht die leiseste Gefahr zu befürchten 
    ist.
    
    Sind Dämpfe zur Heilung überhaupt notwendig? Wenn eine Hausfrau 
    ihre Wäsche reinigt, so gebraucht sie warmes und kaltes Wasser. Das warme 
    Wasser soll das zu Entfernende auflösen, das kalte Wasser soll das Gelöste 
    wegschwemmen. Ein ähnlicher Prozeß (Vorgang) vollzieht sich beim 
    Heilverfahren. Auch bei Krankheiten muß Verschiedenes, wie Blutanstauungen, 
    verdorbene Säfte usw. auf- und ausgelöst werden. Das geschieht durch 
    die Wärme. Sodann muß der Körper gekräftigt und widerstandsfähig 
    gemacht werden. Das geschieht durch die Kälte.
    
    Jeder Körper muß demnach ein gewisses Quantum, ein gewisses Maß 
    von Wärme haben, wenn seine Arbeit vonstatten gehen soll.
    
    Der gesunde Körper besitzt in sich Naturwärme genug, er braucht 
    keine Zutat.
    
    Jeder kränkelnde Körper fühlt sehr bald den Abgang, das Fehlen 
    der notwendigen inneren Wärme. Dieselbe muß auf irgend eine Art 
    ersetzt werden. Bei vielen Patienten genügen die Wickelungen und Umschläge; 
    bei anderen tun die Dämpfe, diese künstliche Zufuhr, ich möchte 
    sagen Einpressung der Wärme, bessere Dienste.
    
    Worin besteht das richtige Dampfverfahren?
    
    Diese Frage zu beantworten ist nicht leicht. Ich teile lediglich meine Erfahrungen 
    mit und gestehe gleich im Anfange, daß ich dieses Verfahren öfters 
    änderte.
    
    Anfangs schloß ich mich der allgemeinen Praxis an, welche ganze Dampfbäder 
    vorzog, und diese befolgte ich 13 Jahre lang. Da ich indessen im Verlaufe 
    dieser Jahre die erwarteten Wirkungen nicht sah, änderte ich daran. Innerhalb 
    drei Jahren geschah dies sogar dreimal, bis ich endlich die jetzige überaus 
    gelinde, alles Schroffe sorgfältig vermeidende Art, den Dampf nicht gleichzeitig 
    auf den ganzen Körper, sondern nur auf Teile desselben einwirken zu lassen, 
    als die
    vortrefflichste und vorteilhafteste anerkannte und schon seit vielen Jahren 
    mit dem besten Erfolg praktiziere.
    
    Doch ich muß etwas weiter ausholen:
    
    69
    Vor ungefähr 30 Jahren kamen auch bei uns in Süddeutschland die 
    russischen Dampfbäder in Übung. Da viele Familien nicht imstande 
    waren, diese damals nur Großstädten eigenen Gesundheitsbäder 
    zu gebrauchen, so erfand man, wie ich mir die Sache erkläre und denke, 
    als Ersatz dafür den bekannten Schwitzkasten, der ähnliche Schweißtreibungsdienste 
    leisten sollte.
    
    Auch ich ließ mir einen solchen Schwitzkasten fabrizieren, d. i. einen 
    Kasten mit einer schließbaren Eingangstüre und einer Öffnung 
    dem Himmel zu, durch welche man bequem den Kopf stecken konnte. Die Zufuhr 
    des Dampfes geschah von außen; der Patient oder Schwitzlustige saß 
    oder stand im Innern des Kastens und betrachtete mit stiller Resignation (Ergebung 
    in sein Schicksal) das vor ihm angebrachte Thermometer. Ein trockenes Tuch 
    umhüllte den Hals, um das Entweichen des Dampfes zu verhindern; nasse 
    Kompressen oder Umschläge bedeckten den Kopf, um ihn, während der 
    ganze Körper schon nach 10-15 Minuten in größtem Schweiße 
    war, kühl zu erhalten. Das Dampfbad beschloß ein Vollguß 
    (eine Gießkanne Wasser) oder ein Vollbad. So oft größere 
    Schweiße erwünscht waren, ließ ich 2 mal, je 15 Minuten lang, 
    in dem Kasten Aufenthalt nehmen mit jedesmaliger rascher, 1/2 Minute währender 
    Abwaschung.
    
    Die Art und Weise der Bereitung dieser Ganzdampfbäder schien mir unübertrefflich, 
    mir war nur unbegreiflich, daß die Erfolge nicht ebenfalls vorzügliche 
    waren. Zur Winterszeit insbesondere hatte die Sache große Schwierigkeiten. 
    Innerhalb weniger Minuten brachte der heißeste Dampf, welcher den ganzen 
    Körper gleichmäßig einhüllte, von allen Seiten ihn gleich 
    heftig angriff, auch den ganzen Körper in starken Schweiß und damit 
    in große Empfindsamkeit der Kälte gegenüber. Mir wenigstens 
    war es stets sehr schwer, nach dem Bade die ganze Hautfläche gegen die 
    frische kalte Winterluft so zu schützen, daß nicht irgend ein Fleck 
    der Haut Schaden gelitten und längere Zeit Beschwerden, zuweilen heftige 
    Schmerzen bereitet hätte.
    
    Ich probierte viel, wie diesem Übelstande abzuhelfen sei, und dachte 
    noch mehr darüber nach. 
    
    Da führte mich gerade zur Winterszeit einmal der Weg nach München; 
    ich litt an ziemlich heftigem Katarrh. Der Zufall spielte mir ein Blatt in 
    die Hand, welches auf der letzten Seite die ans Wunderbare grenzenden Wirkungen 
    der russischen Dampfbäder in einem überschwenglichen Lobeshymnus 
    pries. Unter anderem hieß es: Man probiere es nur; ein einziges Dampfbad 
    ist imstande, den heftigsten Katarrh zu heilen. Das muß ich doch 
    mal sehen, dachte 
    
    70
    ich, und - gedacht, getan. Ich suchte die Anstalt auf, nahm ein solches Bad 
    und in der Tat, ich fühlte nach der allerdings russischen Dampfkur keine 
    Spur mehr von meinem Katarrh. Aber nur langsam! Kaum waren 5-6 Stunden verflossen, 
    da saß im ganzen Körper ein neuer Katarrh, doppelt so heftig als 
    der alte, den ich im russischen Bade zurückgelassen.
    
    Ah so! dachte ich und sagte mir leise ins Ohr: Diese Art 
    Dampfbäder zu nehmen kann nicht die richtige sein. Ich sehe ganz ab von 
    mir selbst; wie aber soll ein Geschwächter, ein Kranker, vollends ein 
    Schwerkranker etwas anwenden, was selbst einen kräftigen, gesunden Mann 
    erschaudern macht? Fürwahr, ein solcher muß anders bedient werden.
    
    All die weiteren Forschungen und Versuche brachten mich zu der Überzeugung, 
    daß derselbe Grundsatz, welcher für sämtliche Wasseranwendungen 
    gilt, auch bei den Dämpfen Geltung hat, daß nämlich die gelindeste 
    Anwendung auch stets die beste ist. Die gelindeste Anwendung nenne ich die 
    einfachste und die den Körper am meisten schonende. Niemals werde ich 
    (z. B. zur Vermehrung der Naturwärme) irgend einen Dampf gebrauchen, 
    wo eine kleine Wasseranwendung, ein Guß oder ein Halbbad ausreicht; 
    niemals werde ich den ganzen Körper durch ein Ganzdampfbad quälen 
    und ausmergeln in Fällen, in denen Dämpfe auf einzelne Körperteile 
    genügen. Ne quid nimis, d. h. ich bleibe auch beim Dampfverfahren auf 
    der goldenen Mittelstraße: nichts der Natur abzwingen wollen, sondern 
    ihr an die Hand gehen, sie freundschaftlich stützen und durch kleine 
    Hilfsmittel einladen, daß sie selbst und allein und freiwillig den Dienst 
    tue.
    
    Meine sämtlichen Dämpfe sind eigentlich nur Teildämpfe, d. 
    h. sie berühren direkt nur Teile des Körpers; dennoch bleibt keiner 
    derselben ohne Einwirkung auf den ganzen Körper. Gerade darin scheint 
    mir der große Vorteil zu liegen. Die Dämpfe berühren oder, 
    wenn man will, schwächen nur die leidende Körperstelle und lassen 
    den übrigen gesunden Körper intakt, unberührt, ungeschwächt. 
    Dieser behält seine volle Kraft und ruht, während der leidende, 
    vom Dampf angegriffene Teil in voller Arbeit ist, unterdessen gleichsam eine 
    Weile aus, um dem geschwächten Mitgenossen alsbald von seiner Kraft mitzuteilen.
    
    Viele meiner Dampfanwendungen dienen lediglich dazu, den Wasseranwendungen 
    vorzuarbeiten, dieselben, z. B. durch Steigerung der Körperwärme, 
    zu ermöglichen, vielleicht wirksamer zu machen oder im Innern des Körpers 
    (z. B. durch 
    
    71
    Auflösung in Luftröhre und Lunge) den von außen tätigen 
    Wasseranwendungen in die Hand zu arbeiten. Ganz selten nur kommt einer der 
    Dämpfe für sich allein als abgeschlossene ganze Anwendung vor.
    
    Die notwendigen Vorsichtsmaßregeln bezüglich der Abkühlung, 
    Bekleidung, Bewegung enthält die spezielle Beschreibung der einzelnen 
    Dämpfe.
    
    Noch muß ich warnen vor einer Täuschung.
    
    Sehr oft kommt es vor, daß einer der verschiedenen Dämpfe, insbesondere 
    der Kopf- und Fußdampf, in besonderer Weise günstig wirkt. Sie 
    machen, weil sie stark auflösen und ausscheiden, sehr leicht, ungemein 
    behaglich, viele Patienten überaus froh und glücklich. Die Gefahr 
    liegt nahe, daß sie das Gute mißbrauchen, den betreffenden Dampf 
    zu häufig vornehmen und so unüberlegterweise ihrer Gesundheit großen 
    Schaden zufügen. Modus est in rebus! Nur immer weise Maßhaltung 
    sich zur Regel und Pflicht machen!
    
    Zur Belehrung will ich einige besondere Fälle anführen.
    
    Ein Rekonvaleszent nach Typhus oder einer anderen schweren Krankheit hat noch 
    bedeutende Anstauungen am oder im Kopfe oder anderswo. Dämpfe täten 
    da treffliche Dienste. Ganz gewiß, aber sehr sparsame und leichtere 
    Kopf- oder Fußdämpfe; denn wir haben es mit einem blut- und säftearmen 
    Individuum zu tun. Um ein Zündhölzchen auslöschen, brauche 
    ich keinen Schmiedeblasbalg, der leise Atem reicht aus.
    
    Dasselbe gilt von allen blutarmen Personen. Die wärmenden Dämpfe 
    bereiten ihnen Wohlbehagen; zu viele Dämpfe aber wären ebenso viele 
    Blut-Wärme- und Lebenssauger.
    
    Aber starke, korpulente Leute können sicherlich viele Dämpfe, vieles 
    Schwitzen ertragen?
    
    Diese sehr oft am allerwenigsten, aus dem einfachen Grunde, weil sie blutarm 
    sind. Gerade bei solchen Individuen bin ich mit Dämpfen überaus 
    sparsam und greife mit Vorliebe nach den Wickeln, um auf gute Transpiration 
    (Ausdünstungen) der Haut hinzuwirken. Wo diese in Ordnung ist, ist Vielschwitzen 
    nicht notwendig.
    
    Ein Patient klagt über heftige Schmerzen in den Füßen. Er 
    wünscht Fußdämpfe auf die ausgemergelten, spindeldürren 
    Beine. Wie töricht, wollte man seinem Wunsche willfahren! Ein solcher 
    in der Tat armer Häuter, wie die Tiroler bezeichnend sagen, 
    hat nichts Weiters auszuschwitzen und herzugeben. Man appliziere ihm statt 
    der Dämpfe Halbbäder und öftere Kniegüsse.
    
    72
    Die von mir angewendeten Dämpfe sind der Reihe nach folgende:
    
    
1. Der Kopfdampf.
    Die Anwendung des Kopfdampfes erheischt einige kleinere Vorbereitungen. Zu 
    dessen Vornahme nämlich sind notwendig ein kleines Holzgefäß, 
    mehr tief als weit, mit Öhren, auf welche man bequem die Hände stützen 
    kann, und einem gut abschließenden Deckel; sodann zwei Stühle und 
    zum Zudecken des Behandelten eine größere Wolldecke. Von den Stühlen 
    dient der eine höhere zum Sitzen, der zweite niedrigere als Untergestell 
    des Holzgefäßes (Schaff, Schafferl, Kübel, Gelte).
    
    

 Fig. 6.
    
    Wenn all die genannten Gegenstände bereitstehen, wird das auf den niedrigeren 
    Stuhl gestellte Holzgefäß bis zu Dreiviertteilen angefüllt 
    mit strudelndem Wasser und mit dem Deckel und einem feuchten Tuche gut verschlossen, 
    damit bis zum Gebrauche möglichst wenig Dampf entweiche. Der Patient 
    hat den ganzen Oberkörper bis zu den Beinkleidern entblößt 
    und über diese als abschließende Binde ein trockenes Tuch gelegt, 
    um den niederrinnenden Schweiß aufzuhalten und das Naßwerden der 
    Beinkleider zu verhindern. Er setzt sich auf den größeren Stuhl 
    und stützt die flachen Hände auf die Öhren des Holzgefäßes, 
    den Oberkörper über das Gefäß hinneigend (s. Figur 7). 
    
    
    

 Fig. 7.
    
    Oberkörper und Gefäß werden sodann mit der großen Wolldecke 
    locker, aber nach allen Seiten hin derart eingehüllt, daß auch 
    nicht durch die kleinste Öffnung Dampf entweicht. Jetzt erst entfernt 
    der Behandelnde, dem Behandelten gerade gegenüberbefindlich und von unten 
    her die Wolldecke etwas lüftend, in die Höhe hebend, den abschließenden 
    Deckel mit dem angefeuchteten Tuche; der Dampf dringt ungehindert wie ein 
    glühender 
    
    73
    Strom auf Kopf, Brust, Rücken, auf den ganzen Oberkörper ein und 
    beginnt seine auflösende Arbeit.
    
    Wer zur Aufsicht und Bedienung beigegeben ist, sorge wohl dafür, daß 
    schwächere Patienten, denen der Rücken leicht wehe tut, bequem sitzen, 
    eine gute Stütze im Rücken haben usw. Dagegen achte er nicht auf 
    Klagen und die verschiedenartigsten Ausrufe wie: Ich halte es nicht ferner 
    aus, mich muß der Schlag treffen u. a.
    
    Im ersten Augenblicke mag mancher ob der ungewohnten Glühtemperatur erschrecken, 
    doch bald hat er sich an das tropische, das heiße Klima gewöhnt 
    und schnell einige kleinere Vorteile gefunden. Beim ersten Ansturme der hitzigen 
    Wolken suche er eine mehr aufrechte Stellung einzunehmen, den Kopf zu heben, 
    nach verschiedenen Richtungen zu wenden usw. Mit dem Angewöhnen und dem 
    Nachlassen der Hitze kehrt der Oberkörper in die vorgeschriebene, gebückte 
    Stellung zurück.
    
    Zu befürchten hat man absolut nichts. Ich kenne nicht einen Fall, in 
    welchem der Kopfdampf, genau nach Vorschrift angewendet, im geringsten geschadet 
    hätte. Ich habe denselben den verschiedensten Personen in den verschiedensten 
    Krankheiten appliziert und stets gute Erfolge erzielt. Schaden zugefügt 
    haben nie die Dämpfe, wohl aber jene Selbstklugen sich selbst, welche 
    ohne alle Vorsicht und Regel taten, wie es ihnen gut dünkte, nicht wie 
    die Ordnung es vorschrieb. Eine Anwendung dauert 20-24 Minuten. Der Patient 
    soll während der ganzen Dauer nicht nur willig mit seinem Kopf herhalten, 
    er soll auch nach Vermögen Augen, Nase, Mund öffnen und an Dampf 
    einströmen lassen, was und wieviel er nur ertragen kann.
    
    Nach Umlauf der Zeit von 20-24 Minuten wird die Wolldecke entfernt und der 
    ganze Oberkörper mit frischem Wasser kräftig abgewaschen. Der Patient 
    macht sich zur Winterszeit im Zimmer, zur Sommerszeit im Freien Bewegung, 
    bis die gehörige Trocknung und die normale Wärmetemperatur der Haut 
    eingetreten ist.
    
    Ich schulde an dieser Stelle noch einige wichtige und nicht zu übersehende 
    Bemerkungen.
    
    Der reine Wasserdampf wirkt auf manche Augen, ebenso beim Einatmen auf den 
    Magen zuweilen nicht ganz günstig. Deshalb mische ich dem heißen 
    Wasser stets Kräuter bei. Zunächst empfehle ich Fenchel, der sich 
    vortrefflich bewährte. Ein Löffel gemahlener Fenchel reicht aus 
    für eine Anwendung. Auch Kräuter von Salbei, Schafgarbe, Minze, 
    Hollunder, Spitzwegerich, Lindenblüten tun treffliche Dienste. Und wenn 
    dir auch 
    
    74
    diese abgehen, so nimm eine Handvoll Brennesseln oder Heublumen und mische 
    sie bei; das Kräutchen mag verachtet sein, sein Dienst ist dennoch gut.
    
    Bei gewöhnlichen Menschen tut der Dampf bald seine Wirkung; den meisten 
    derselben rinnen schon nach den ersten fünf Minuten die Schweißtropfen 
    von der Stirne, nach 8-10 Minuten perlen sie hervor aus allen Poren.
    
    Es gibt jedoch Patienten - es sind in der Regel blutarme Individuen mit wenig 
    Naturwärme - bei denen der Dampf nicht so leichte Arbeit hat. Man hilft 
    nach, indem man im Herde ungefähr den sechsten Teil eines Ziegelsteines 
    glühend macht und denselben ca. 10 Minuten nach Beginn der Anwendung 
    in das Dampfbad bringt. Es braust gewaltig, und die Wolken steigen von neuem 
    dichter und lebhafter auf.
    
    Unmittelbar nach beendigtem Kopfdampf, der wie die folgende Abkühlung 
    im Winter stets in erwärmten Räumen vorzunehmen ist, soll man es 
    nie wagen, ins Freie zu gehen ohne vorherigen kalten Abguß, wodurch 
    die durch den Dampf geöffneten Poren wieder geschlossen werden. Zur Winterszeit 
    verbleibe man vor solchem Austritt ins Freie noch ungefähr eine halbe 
    Stunde im gewärmten Zimmer, in demselben auf- und abgehend. Ohne diese 
    Vorsicht könnte man sich leicht nicht nur einen Katarrh, sondern unter 
    Umständen eine schwere, tödliche Krankheit zuziehen. Der genannte 
    kalte Abguß ist auf mehrfache Weise möglich. Die einfachste Art, 
    welche ich besonders bei schwächeren, fremder Hilfe bedürfenden 
    Personen empfehle, besteht darin, daß man mit einem Handtuche und frischem 
    Wasser den Patienten rasch abwäscht. Bei Kopfgeschwülsten, Ausschlägen 
    am Kopf, Ohrenfließen, überhaupt bei Leiden, welche große 
    Ausscheidungen aus dem Kopfe verlangen, muß beim ersten und zweiten 
    Kopfdampfe diese Art des Abgusses, vielmehr Abwaschens stattfinden. Die Folgen 
    des Versäumnisses, wie heftiges Ohrensausen usw., wären wenn auch 
    nicht gerade gefährlich, doch unangenehm. Bei den folgenden Anwendungen, 
    nach bereits erfolgten größeren Ausscheidungen aus dem Kopfe, kann 
    die zweite Art des Abgusses, der eigentliche Abguß an die Stelle der 
    Waschung treten. In Form des Obergusses werden 1-2 Gießkannen kalten 
    Wassers über die bedampften Stellen langsam gegossen, den Kopf, d. i. 
    die Haare ausgenommen; die Brust wird kräftig gewaschen. Das weitere 
    Verhalten ist dasselbe wie nach den Güssen, d. i. nach sorgfältiger 
    Abtrocknung des Gesichtes und der Haare zieht man, ohne den 
    
    75
    übrigen Körper abzutrocknen, rasch die Kleider an und gibt sich 
    in Bewegung oder in Handarbeit bis zur völligen Trocknung und normalen 
    Erwärmung des Körpers. 
    
    Wer nach dem Kopfdampf Gelegenheit hat, rasch ein kaltes Vollbad von höchstens 
    einer Minute zu nehmen, macht seine Sache gleichfalls gut durch Benützung 
    solcher Gelegenheit. 
    
    Die Wirkungen dieser Anwendung sind bedeutende; sie erstrecken sich auf die 
    ganze Hautfläche des Oberkörpers, deren Poren sie öffnen, sodann 
    auf das Innere des Körpers, indem sie in der Nase, in den Luftröhren, 
    in der Lunge usw. auflösen und ausleiten. Bei Erkältungen durch 
    Nässe oder raschen Temperaturwechsel, bei Kopfleiden, Ohrensausen, rheumatischen 
    und krampfhaften Zuständen im Genick und auf den Schultern, bei Enge 
    auf der Brust, bei noch nicht vorgerücktem Schleimfieber, lauter Begleiter 
    und Begleiterinnen der verschiedenen Katarrhe, tut der Kopfdampf vorzügliche 
    Dienste. Zwei Anwendungen innerhalb drei Tagen bringen in der Regel vollständige 
    Heilung. Beginnende Katarrhe hebt gewöhnlich ein einziger Kopfdampf auf 
    und aus, sie mögen sitzen, wo sie wollen.
    
    Wer einen aufgedunsenen Kopf, einen unverhältnismäßig vollen 
    Hals, angeschwollene Halsdrüsen hat, nehme wöchentlich zwei bis 
    drei solcher Dämpfe. Bei Augenentzündungen, welche von Kälte, 
    Erkältungen usw. herrühren, und bei Triefungen tue man ebenso. Der 
    letztere Patient darf noch größeren Erfolg hoffen, wenn er am Abende 
    des Tages, an welchem er dem Kopfe den Dampf gibt, seinen Füßen 
    ein viertelstündiges warmes Fußbad mit Asche und Salz verabreicht.
    
    Bei Kongestionen, selbst nach Schlaganfällen, habe ich den Kopfdampf 
    mit den günstigsten Erfolgen angewendet. Man läßt sich bei 
    diesen freilich heikeln Fällen von der Meinung täuschen und beängstigen, 
    als ziehe so ein Dampf noch vollends alles Blut in den Kopf. Die Furcht ist 
    unbegründet. Indessen habe ich selbst die Praxis - und ich rate dieselbe 
    in den genannten zwei Fällen einem jeden an -, die Anwendung stets auf 
    15-20 Minuten zu beschränken und dem Dampfe auf den Kopf tunlichst bald 
    einen Dampf auf die Füße folgen zu lassen.
    
    Da der Kopfdampf stark auflösend wirkt und allzu reichliche Schweißbildung 
    leicht allzusehr schwächen könnte, so darf diese Anwendung nicht 
    zu oft vorgenommen werden. Als Regel soll gelten, daß man die Zahl 2 
    in der Woche nicht überschreite. In seltenen Fällen, in welchen 
    ganz besondere Auflösungen 
    
    76
    und Ausscheidungen notwendig sind, kann eine Woche hindurch der Kopfdampf 
    jeden zweiten Tag zur Anwendung kommen, jedoch mit verkürzter Dauer (Minimum 
    [geringste Zeit] 15 Minuten, Maximum [längste Zeit] 20 Minuten).
    
    
2. Der Fußdampf.
    Die Arbeit welche der Kopfdampf am Oberkörper vornimmt, leistet der Fußdampf 
    dem Unterkörper, in erster Linie den Füßen.
    
    Die Anwendung geschieht folgendermaßen:
    
    Über den zum Sitzen bereit gehaltenen Stuhl wird der Länge nach 
    eine ziemlich breite und dichte Wolldecke ausgebreitet. Darauf setzt sich 
    der zu Behandelnde mit bekleidetem Oberkörper, mit entkleideten Füßen 
    (Beinen). Vor ihn kommt wie zum Fußbade das mit heißem Wasser 
    etwas über die Hälfte gefüllte Holzgefäß zu stehen. 
    Es ist das auch zum Kopfdampf benützte Gefäß (a).
    
    

 Fig. 8. 

 
    Fig. 9.
    
    Auf dem oberen Rande desselben, zu beiden Seiten der Öhren liegen zwei 
    schmale Holzstäbe, auf welche der zu Behandelnde die Füße 
    bequem aufstellen kann. Man suche dieselben durch irgend eine kleine Vorrichtung 
    zu befestigen, daß die Gefahr des Nachgebens und des Verbrühens 
    der Füße den Patienten nicht ängstigt.[13] Hat dieser sodann 
    seine Stellung eingenommen und steht das dampfende Wasser vor ihm, so wird 
    die dichte Wolldecke derart um die Beine und das Holzgefäß gelegt, 
    daß kein Dampf unbenützt verloren geht und durch eine große 
    Wollröhre das warme Element von unten nach oben, zu den Füßen, 
    zu dem Unterleibe und weiter aufsteigt.[14] (s. Fig. 10.) 
    
    

 Fig. 10.
    
    Zu den Fußdämpfen benütze ich in der Regel leichtere strudelnde 
    Absude von Heublumen. Wie beim Kopfdampfbade, so kann ich bei dieser Anwendung 
    den Dampf und damit die Wirkung steigern, indem 
    
    77
    ich nach je 5 oder 10 Minuten das glühende Stück eines Ziegelsteines 
    in das heiße Wasser sachte und vorsichtig einsenke. Man lasse die Steine 
    ja nicht ins Wasser fallen; dieses müßte ein Spritzen und Brandwunden 
    absetzen. Die Zahl der glühenden Ziegelstücke, sowie die Dauer des 
    Fußdampfes richten sich genau nach dem höheren oder geringeren 
    Grade der Wirkung, welche man erzielen will. Oft soll lediglich der untere 
    Teil der Füße in Schweiß gebracht werden, wie z. B. bei Fußschwitzern; 
    manchmal aber sucht man die ganzen Füße, die Schenkel inbegriffen, 
    öfters den ganzen Unterleib, zuweilen den ganzen Körper durch einen 
    Fußdampf in Schweiß zu bringen. Viele habe ich gesehen, denen 
    bei dieser höchst einfachen und primitiven Anwendung der Schweiß 
    von der Stirne rann wie bei der forciertesten (angestrengtesten) Schwitztour 
    unter 2-3 Federbetten. Bei den leichtesten Anwendungen wird ein glühendes 
    Ziegelstück und eine Zeitdauer von 15-20 Minuten genügen; um die 
    größte Wirkung eines eigentlichen Schwitzdampfbades zu erzielen, 
    wird es notwendig werden, die glühende Masse alle 5-10 Minuten zu erneuern 
    und die Anwendung bis zu 25 und 30 Minuten auszudehnen.
    
    Dem Dampfbade folgt stets die kalte Abkühlung, welche sich ganz richtet 
    nach der Ausdehnung der schwitzenden oder in Schweiß gebadeten Stellen. 
    Füßen, welche nur bis an die Knie schwitzen, genügt eine rasche 
    kalte Abwaschung mit einem Linnentuche, kräftigeren Naturen ein Knieguß. 
    Bei mitschwitzenden Schenkeln und Unterleib reicht ein Halbbad aus. Ist der 
    ganze Körper in Mitleidenschaft gezogen, so muß auch der ganze 
    Körper entweder durch ein Halbbad mit Waschung des Oberkörpers oder 
    durch ein Ganzbad oder durch eine Ganzwaschung abgekühlt werden. Die 
    Regeln über die Vornahme dieser Anwendung lese man an den betreffenden 
    Stellen (bei den Bädern und Waschungen), die Regeln über das Verhalten 
    nach dem Fußdampfe beim Kopfdampfe nach. Sie gelten auch hier ohne allen 
    Unterschied.
    
    78
    Die Anwendung des Fußdampfes geschieht vornehmlich bei den verschiedenartigsten 
    Fußleiden, so bei starken übelriechenden Fußschweißen, 
    wo es gilt, die faulen Säfte aufzulösen und auszuleiten; bei angeschwollenen 
    Füßen, die auf Säfte und Blutstauungen schließen lassen; 
    bei kalten Füßen, in denen die Transpiration auf Nullgrad steht 
    und zu denen das Blut sozusagen den Weg nicht mehr findet. Diese Dämpfe 
    wecken neue Tätigkeit und bringen frisches Leben, sind zuweilen auch 
    nur, wie bei den einzelnen Krankheiten gesagt werden wird, notwendige vorbereitende 
    Übungen, welche anderweitigen Wasseranwendungen die Wege ebnen und deren 
    Erfolg sichern.
    
    Wer an Nagelgeschwüren, eingewachsenen Nägeln usw. leidet, wer Blutvergiftung 
    befürchten muß, z. B. wegen unglücklicher Behandlung von Hühneraugen, 
    Ausreißen von Nagelwurzeln usw., lasse sich baldigst diesen Dampf bereiten.
    
    Gesteigerte Anwendungen, welche mehr oder weniger auf den ganzen Körper 
    wirken sollen, kommen vor bei krampfartigen, besonders durch Erkältung 
    entstandenen Leiden des Unterleibes; bei Kopfleiden, deren Ursache auf Kongestionen, 
    zu heftigen Blutandrang nach dem Kopfe zurückzuführen ist.
    
    Bei blutarmen Individuen, denen vor dem Beginne irgend einer Kaltwasseranwendung 
    mehr Wärme einzupumpen ist, haben mir leichtere Fußdämpfe 
    sehr oft große Dienste erwiesen.
    
    Als Regel bezüglich der Wiederholung dieser Anwendung gilt wie beim Kopfdampfe, 
    daß man damit recht sparsam sei. Einmal, zweimal in der Woche wird man 
    öfters, dreimal nur selten lesen, letzteres nur bei Einzelfällen, 
    welche stets diese Notiz ausdrücklich enthalten müssen.
    
    Nun noch eine Bemerkung!
    
    Oft schon sind mir Klagen zugekommen wegen der zu großen Umständlichkeit 
    der von mir verordneten Dämpfe. Ich frage jeden Wohlmeinenden: Was ist 
    einfacher, mein Fußdampf oder ein Schwitzbad nach so und so vielen Tassen 
    heißen Tees, nach so und so vielstündiger Tortur, unter so und 
    so vielen Federbetten, ein Schwitzbad, welches selten, fast nie vorübergeht 
    ohne die heftigsten Kopfschmerzen und anderes Weh!
    
    
3. Der Leibstuhldampf.
    Dieser Dampf tut seiner leichten Bereitung, bequemen Applizierung und überaus 
    schuldlosen, d. i. ungefährlichen Wirkung wegen besonders in Krankheiten 
    große Dienste. Selbst 
    
    79
    Schwerkranke, bei denen wegen Schwäche oft sehr schwer der erwünschte 
    Schweiß zu erzielen ist, können auf diese Weise recht leicht zum 
    Schwitzen gebracht werden.
    
    In den irdenen oder blechernen Topf des Leibstuhles wird die strudelnde Mischung 
    geschüttet. Der Patient setzt sich, die Bedienung sorgt, daß kein 
    Wölkchen des wohltuenden Rauches unnütz entweicht. Rasch steigt 
    der heiße Qualm zum Körper auf und erzeugt in Bälde schwächeren 
    oder stärkeren Schweiß, der sich manchmal zu einem förmlichen 
    Schwitzbade, d. h. zu einem allgemeinen Schwitzen des ganzen Körpers 
    steigert. Die Anwendung dauert 15-20 Minuten. Erscheint es notwendig, den 
    Kranken in länger dauerndem Schwitzen zu erhalten, so bringt man (da 
    das Sitzen beschwerlich und der Dampf vielleicht für längere Dauer 
    nicht wirksam wäre) ihn zu Bette; es wird ohne jede besondere Auflage 
    die Schweißkur, d. i. das Schwitzen, fortdauern. Nach dem Dampfe soll 
    eine Ganzwaschung, ein Halbbad mit Abwaschung des Oberkörpers oder ein 
    Vollbad je nach Können des Patienten die ganze Anwendung beschließen. 
    Bei Schwerkranken wird stets die Ganzwaschung am leichtesten und ungefährlichsten 
    vorgenommen werden können.
    
    Die Wirkung des Leibstuhldampfes ist, wie von selbst einleuchtet, auflösender 
    und ausleitender Natur. Die Ausscheidungen geschehen in Form und durch Abgang 
    des Schweißes. Niemals benütze ich für diese Dämpfe das 
    Wasser allein; stets mische ich Kräuter bei und zwar wieder die bekannten 
    Kräuter von Heublumen, von Haferstroh, vor allen andern indessen von 
    Zinnkraut.
    
    Bei Nieren- und Steinleiden wende ich Dämpfe an von Haferstrohabsud;
    
    bei krampfhaften oder rheumatischen Zuständen des Unterleibes, bei Blasengeschwüren, 
    bei beginnender Wassersucht solche von Heublumenabsud.
    
    Wie die Dämpfe mit Anwendung von Kaltwasser wechseln, lese man nach im 
    III. Teile bei den einzelnen Krankheiten.
    
    Die auffallendsten und erstaunlichsten Erfolge habe ich erzielt mit Dämpfen 
    von Zinnkrautabsud in all den höchst peinlichen Fällen, in 
    welchen das Urinieren (Wassermachen) unmöglich wurde und infolgedessen 
    die entsetzlichsten, wahnsinnigsten Schmerzen den armen Patienten quälten 
    und fast zur Verzweiflung brachten. Die meist durch Erkältung und Entzündung 
    entstandenen krampfhaften Zustände der Blase wurden durch den heißen 
    Zinnkrautdampf 
    
    80
    in verhältnismäßig kurzer Zeit gehoben, und das Organ tat 
    wie früher seine reinigenden Dienste.
    
    
4. Besondere Dämpfe auf einzelne kranke Stellen.
    Im Wechsel mit anderen Wasseranwendungen dienen in vielen Fällen die 
    Dämpfe sehr gut bei Leiden an den Augen, in den Ohren, im Mund, an den 
    Fingern, an der Hand, am Arme, an den Zehen, am Fuß usw. Einige Beispiele 
    mögen dieses klar machen.
    
    Ein giftiges Insekt sticht in die Hand, in den Arm, das Glied schwillt an 
    und schmerzt heftig, die Entzündung droht um sich zu greifen usw. Im 
    Vereine mit Hand- und Armwickeln werden Dämpfe auf die leidende Stelle 
    bald Linderung der Schmerzen und Hilfe bringen. Zu dem Zwecke hält man 
    die Hand oder den Arm über ein Gefäß, welches das strudelnde, 
    dampfende Wasser enthält.
    
    Wegen irgend einer durch Giftstoffe verunreinigten Wunde droht Blutvergiftung; 
    es ist Gefahr im Verzuge. Rasch soll ein auflösender und ausleitender 
    Hand- oder Fußdampf bereitet werden.
    
    Es wird jemand von einem tollwutverdächtigen Hunde gebissen. Bevor ein 
    Arzt und andere Hilfe zur Hand sind, kann rascher durch Dampf dem Gefährdeten 
    wenigstens vorläufige Hilfe gebracht werden.
    
    Heftige Krämpfe quälen ganz bestimmte Stellen an Händen und 
    Füßen. Man säume nicht, sie bedampfen zu lassen.
    
    Zu äußeren Anwendungen der genannten Arten verwende ich in der 
    Regel Absude von Heublumen.
    
    Für Augendämpfe dient sehr gut Absud von Fenchelpulver oder Augentrost 
    oder Schafgarbe;
    
    für Ohrendämpfe Absud von Taubnesseln oder Brennesseln oder Schafgarbe;
    
    für Verschleimung im Halse Absud von Schafgarben oder Spitzwegerich oder 
    Brennesseln.
    
    Bezüglich der Anwendungszeit überschreite man 20 Minuten nie; die 
    kürzeste Dauer umfaßt 10 Minuten.
    
    Jene Dämpfe, welche zum Einatmen dienen, nach innen wirken oder die Augen 
    und Ohren betreffen, sollen vorsichtigerweise niemals übermäßig 
    warm oder gar heiß genommen werden.
    
    
D. Gießungen.
    Die bei mir zur Anwendung kommenden Gießungen (Güsse) sind folgende:
    
    
1. Der Knieguß.
    Die Füße werden bis über die Knie entblößt, die 
    Beinkleider möglichst weit zurückgeschlagen und, um sie vor Nässe 
    zu schützen, gegen die zu begießenden Stellen zu mit einem Tuche 
    (Handtuche) bedeckt. Man setzt sich sodann auf einen Stuhl und stellt beide 
    Füße ähnlich wie beim Fußbade in ein bereitstehendes 
    Gefäß. (s. Abbildung.) 
    
    

 Fig. 11.
    
    Wer sich aber stehend den Guß geben läßt, handelt nicht schlechter. 
    Der Guß geschieht mit einer kleinen Gießkanne, am besten mit einer 
    Treibhausgießkanne, die mit einer Hand leicht dirigiert wird. Die erste 
    Kanne, die schneller und voller strahlend ausgegossen werde, benetzt beide 
    Füße, von den Zehen bis über die Knie. Die folgenden Kannen 
    bespülen in schwachem Strahle, der bald höher, bald tiefer auffällt, 
    einzelne Fußstellen, besonders die Kniescheiben (in der Mitte, rechts 
    und links davon) und die Waden in einer Art, daß das Wasser über 
    die Beine ziemlich gleichmäßig hinunterläuft. Der Inhalt der 
    letzten Kanne wird nicht gegossen, sondern aus der größeren Öffnung 
    in zwei oder drei Malen über die Füße wie zur Abspülung 
    hingeschüttet. Zu einem Kniegusse können 2-10 Gießkannen verwendet 
    werden.
    
    Kranke, Schwächlinge halten den Guß beim ersten Anprall sehr schwer 
    aus. Kein Anfänger tut sich ganz leicht. Schon Männer, welche zuerst 
    über das Bagatellverfahren witzelten, dann die elektrischen Schlägen 
    gleichende bis ins Innerste hinein erschütternde Wirkung verbeißen 
    wollten, habe ich wie Espenlaub zittern und vor Schmerz weinen sehen. Es ist 
    das der beste Beweis für die elektrisierende, auffrischende, stärkende 
    Kraft dieses Gusses.
    
    Rekonvaleszenten, blut- und säftearmen Personen, - allen, deren Fußknochen 
    nicht kernige Muskeln, sondern nur dünne, armselige Fleischmäntelchen 
    tragen, rate ich die erste 
    
    82
    Zeit nie mehr als 2-3 Gießkannen; auch bei jedem Anfänger soll 
    das erste Mal die Zweizahl nicht überschritten werden. Sie können 
    in den folgenden Tagen auf 4-6 und noch später auf 8-10 Kannen steigen. 
    Nach 8-10 Kniegüssen ist jedes Schmerzgefühl verschwunden. Mit Behagen, 
    mit einem gewissen Sehnen erwartet man den nächsten Strahl, der in so 
    kurzer Zeit die verweichlichten Füße so bedeutend gestärkt 
    hat.
    
    Der Knieguß kommt regelmäßig nur in Verbindung mit dem Oberguß 
    vor. Man lese deshalb nur das vom Oberguß Gesagte.
    
    
2. Der Oberguß.
    Der zu Behandelnde entkleidet sich bis auf die Beinkleider. Das Einfließen 
    des Wassers in letztere hindert ein übergelegtes, abschließendes 
    Tuch. Das Gefäß, in welches das Wasser abfließt, dann statt 
    auf der Erde auf einem Stühlchen stehen. Das Bücken wird stärkeren 
    Personen dadurch leichter gemacht; auch der Kopf wird geschont, d. i. durch 
    dessen mehr gehobene Haltung der Blutandrang zu demselben gemindert. Der Patient 
    stützt beide Hände auf den Boden des Gefäßes, so daß 
    der Oberkörper eine horizontale Lage annimmt und das Wasser beim Gießen 
    ins Gefäß abfließt. (s. Abbildung.)
    
    

 Fig. 12.
    
    

 Fig. 13. 
    
    Die erste Kanne verbreitet sich, ausgehend vom rechten Arm und der rechten 
    Schulter, über den ganzen Rücken bis zur linken Schulter und dem 
    linken Oberarm (a). Sie dient in erster Linie zur Anfeuchtung der ganzen Gußstelle. 
    Die zweite (b), ebenso die dritte Kanne (c) bewegen sich hauptsächlich 
    über das große sympatische Nervengeflecht zu beiden Seiten des 
    7. Halswirbels, sodann über den ganzen Rücken und das Rückgrat, 
    stets abschließend mit einem der beiden Oberarme. Die ganze Gußstelle 
    soll 3-4 mal gleichmäßig übergossen werden, der Begossene 
    gleichsam 3 Wasserauflagen bekommen, welche über den
    
    83
    Oberkörper, über die Brust in das Gefäß abfließen. 
    Der Kopf werde möglichst geschont, der Hals dagegen tüchtig begossen. 
    Wer lange Haare hat, dessen Kopf greife ich gar nicht an; wer kurze Haare 
    hat, den begieße ich zart und wenig. Bei nervösen Personen sei 
    man achtsam, daß der Rückgrat oder auch nur eine Stelle desselben 
    zu stark oder zu lange begossen werde. Der Strahl würde fast wie ein 
    stechendes Messer empfunden und nicht ertragen werden, wenn auch durchaus 
    keine Gefahr ist. Je nach Bedarf und Absicht läßt der Begießende 
    den Strahl voller oder geteilter, höher oder tiefer, d. i. stärker 
    oder schwächer auffallen. Zugleich habe er ein Ohr, ob der Patient über 
    besondere Schmerzen an irgend einer einzelnen Stelle klagt, und ein Auge, 
    ob er vielleicht Symptome von Ausschlägen, Geschwüren, Blutanstauungen 
    (blaue Flecken), Blutwülsten usw. gewahr wird.
    
    Je gleichmäßiger das Wasser über die begossenen Teile läuft, 
    um so leichter ist der Guß auszuhalten, und um so schneller tritt an 
    allen Stellen gleichmäßige Wärme ein.
    
    Es gibt Personen (darunter zählen insbesondere diejenigen, welche entweder 
    schon stark beleibt sind oder zum Starkwerden Anlage haben), bei denen man 
    lange auf Reaktion warten kann. Man sieht dieses daran, daß die Haut 
    weiß, farblos bleibt, wie vor dem Gusse, nicht rot wie vom aufgescheuchten, 
    geweckten, den begossenen Stellen zuströmenden Blute. Da helfe ich dadurch 
    nach, daß ich nach der ersten Kanne den nassen Rücken leicht mit 
    der Hand abwasche und durch diese kleine Reibung die Haut zur Tätigkeit 
    reize. Beim dritten und vierten Gusse schon ist in der Regel vollständige 
    Reaktion vorhanden.
    
    Bei schwächlichen Personen reicht zum Gusse eine Kanne aus.
    
    Anfänger traktiere man mit 1 oder 2, Fortgeschrittene mit 2-3, Gesunde 
    und Kräftige mit 5-6 Kannen. Übertreiben soll man bei vorhandenem 
    Wohlbehagen in keinem Falle.
    
    Nach dem Gusse wasche man sich schnell die Brust, trockne die Hände und 
    das Gesicht, ziehe rasch, ohne sonst irgend abzutrocknen, die Kleider an und 
    begebe sich in Bewegung oder an die Arbeit.
    
    Der Oberguß ist (wenn nicht eine Abwaschung stattfindet) stets notwendig 
    nach dem Kopfdampf.
    
    84
    Sonst kommt er regelmäßig vor in Verbindung mit dem Knieguß, 
    und zwar in der Reihenfolge, daß zuerst er und nach vollständiger 
    Bekleidung des Oberkörpers der Knieguß vorgenommen wird.
    
    Beide Güsse zählen mit zu den Abhärtungsmitteln; sie wirken 
    erwärmend, (gleichmäßige Zirkulation des Blutes), stärkend, 
    förmlich elektrisierend und können von Personen beiderlei Geschlechts 
    ohne allen Nachteil angewendet werden.
    
    
 
    
    Ich kenne solche, welche jeden Morgen beim Aufstehen sich selbst beide Güsse 
    applizieren. Sie nehmen zuerst den Oberguß vor, indem sie durch geschickte 
    Handhabung der kleinen Kanne sich das Wasser über den Rücken laufen 
    lassen, noch besser, indem sie sich in der Waschküche oder in einem Badelokal 
    den Wasserhahn klein drehen und den mäßigen Strahl auf den Rücken 
    spielen lassen. Sie wandern unter dem Strahl einher, wie es ihnen selbst beliebt 
    und wohltut. Hernach richten sie den Hahn oder die Kanne ebenso auf die Knie. 
    In 5 Minuten ist alles vorüber und dem ganzen Körper eine große 
    Wohltat erwiesen.
    
    Wer sich scheut, den Guß von einem andern zu erbitten, und dazu selbst 
    die Gewandtheit nicht besitzt, wasche sich den Oberkörper mit recht kaltem 
    Wasser. Dann stelle er die bis über die Knie entblößten Füße 
    in ein zum Teil mit Wasser gefülltes Gefäß, schöpfe mit 
    was immer von dem Wasser und schütte 
    
    85
    dieses langsam über die Knie und den untern Fuß. Selbst bei dieser 
    primitiven Selbstverabreichung der beiden Güsse wird die Wirkung nicht 
    fehlen.
    
    
4. Der Rückenguß
    bildet die Fortsetzung des Obergusses und wird angewendet, wenn in besonderer 
    Weise auf das Rückgrat stärkend eingewirkt werden soll. Auf die 
    Förderung der Blutzirkulation ist sein Einfluß gleichfalls sehr 
    günstig und stärker als jener des Obergusses.
    
    Wie beim Obergusse führt man den Strahl, der höher oder tiefer, 
    schwächer oder stärker ausfallen kann, von dem einen Schulterblatte 
    zum andern und lässt ihn 3 bis 6, bis 8 Gießkannen besonders auf 
    die Rückensäule spielen, vom obersten Halswirbel angefangen bis 
    hinunter zu den Steißwirbeln.
    
    Rasches Abwaschen von Brust und Unterleib, dann der Arme und Beine soll den 
    Rückenguß stets beschließen.
    
    Am einfachsten wird es sein, wenn der zu Begießende in Badehose oder 
    in einem Badehemd über der Badewanne sitzt. An den Wechsel des Hemdes, 
    rasche Ankleidung usw. braucht kaum erinnert zu werden. (s. Abbildung)
    
    

 Fig. 14.
    
    
4. Der Unterguß
    bildet die Fortsetzung des Kniegusses gegen den Unterleib zu und besteht darin, 
    daß außer den beim Knieguß begossenen Fußstellen die 
    Schenkel mit in Behandlung gezogen werden.
    
    

 Fig. 15.
    
    Die Wirkung dieses Gusses ist die erhöhte Wirkung des Kniegusses. Sehr 
    gut könnte er jederzeit diesen letzteren vertreten. Der Unterguß 
    muß regelmäßig nach dem Fußdampfe erfolgen, wenn nicht 
    etwa das Halbbad oder das Knien in die Badewanne vorgezogen wird.
    
    Jeder ist imstande, sich selbst den Guß zu applizieren. Geschieht es 
    durch einen anderen, so gilt auch hier das beim Rückenguß gesagte. 
    (s. Abbildung.)
    
    86
    
5. Der Ganz- oder Vollguß
    erstreckt sich, wie der Name besagt, auf den ganzen Körper, vom Hals 
    bis zu den Fußspitzen.
    
    Derselbe wird folgendermaßen erteilt:
    
    Der Patient sitzt in der Badewanne oder in einem weiten Holz- oder Blechgefäß 
    auf einem schmalen Brettchen, bekleidet mit Badehosen oder dem Badehemde. 
    Wer ihn kniend oder stehend nehmen will, trifft auch keine schlechte Wahl. 
    Der Guß geschieht zum Teil von der Rückseite, zum Teil von der 
    Vorderseite mit ungefähr 4 Gießkannen Wasser. Die erste
    Kanne netzt den ganzen Körper an. Die weiteren drei und mehr Kannen werden 
    in der Art verwendet, daß der Strahl nach allen Körperteilen hinzielt, 
    vorzüglich nach dem Rückenmark und den Hauptnervengeflechten, also 
    ins Genick und zu beiden Seiten desselben, sodann in die Magengegend (Magengrube, 
    Sympatikus in der Magengegend).
    
    

 Fig. 16.
    
    Gesunden, besonders korpulenten Personen, ist dieser Guß sehr zu empfehlen. 
    Er härtet ab, steigert die Zirkulation des Blutes, kräftigt und 
    hebt diese blutarmen und wasserscheuen Individuen aus ihrer übergroßen 
    Empfindsamkeit und Empfindlichkeit heraus.
    
    Wer sich kalt fühlt und wem fröstelt, der darf den Guß nicht 
    nehmen, er stelle denn zuerst die richtige Naturwärme her, sei es durch 
    Bewegung, sei es durch künstliche Nachhilfe, etwa den Fuß- oder 
    Kopfdampf. Sonst aber kann er Sommers und Winters vorgenommen werden, im Winter 
    selbstverständlich in einem gewärmten Lokale.
    
    Bei Kränklichen und Schwächlichen darf, ja soll das Wasser etwas 
    temperiert (abgeschreckt) werden und wenigstens die
    Temperatur haben, welche das Wasser in Badeanstalten zur Sommerszeit hat (15-18°C.).
    
    Die Berichte der einzelnen Krankheiten enthalten, in welchen Fällen und 
    wie oft der Ganzguß anzuwenden sei. Ich ziehe denselben vielfach dem 
    Vollbade vor und verwende ihn statt desselben da, wo ich durch Aufgießen 
    auf eine besonders leidende Stelle in nachhaltiger Weise einwirken will. Bei 
    Rheumatismen geschieht dieses ziemlich oft.
    
    87
    Kranken, bei denen ich besonders starke Auflösungen und Ausleitungen 
    erzielen möchte, gebe ich nach dem Vollgusse noch folgende Anwendung. 
    Das durch den Guß naß gewordene Hemd wird rasch so ausgewunden, 
    daß es nicht mehr träufelt, und dann als Wickel benützt (s. 
    Wickelungen), in welchem der Patient 1 bis 1½ Stunden bleibt. Andernfalls 
    muß es selbstverständlich ausgezogen und durch trockene Wäsche 
    ersetzt werden. Der Patient selbst macht sich Bewegung, bis er völlig 
    warm und trocken ist.
    
    Hier nur eine flüchtige Bemerkung. Die an manchen Orten üblichen, 
    hoch und deshalb sehr stark auffallenden Güsse und
    heftigen Duschen habe und billige ich nicht. Ich sehe absolut nicht ein, was 
    so gewaltige Wasserschläge bei Gesunden und erst bei Kranken erzielen 
    sollen. Zum Waschen des Körpers braucht man keine Feuerspritze; wem würde 
    solches einfallen?
    
    Zum Begießen sind diese förmlichen Wasserstürme nicht notwendig; 
    denn entweder ist die Krankheit heilbar und so durch geringere Anwendung ihr 
    beizukommen, oder sie ist nicht heilbar; dann würde diese schroffe Behandlung 
    auch nichts nützen, eher schaden.
    
    
E. Waschungen.
    Die Waschungen teilen sich in Ganzwaschungen und in Teilwaschungen. Von beidem 
    wird im folgenden die Rede sein. Im allgemeinen kann vorausgeschickt werden, 
    daß die Grundsätze bezüglich des Frottierens, des Nichtabtrocknens 
    auch hier gelten. Bei einer jeden Waschung liegt die Hauptsache (der Schwerpunkt) 
    darin, daß der ganze Körper oder der einzelne zu waschende Teil 
    gleichmäßig naß werde. Vom Gerieben-, Geknetetwerden ist 
    nirgends die Rede. Wenn zuweilen bei den Krankheiten von kräftiger Abwaschung 
    gesprochen wird, so verstehe ich darunter stets eine schnelle Handlung, bei 
    der man nicht zögert und zaudert. Diejenige Ganz- oder Teilwaschung wird 
    die beste sein, die am gleichmäßigsten geschieht und am kürzesten 
    dauert; über 1, längstens 2 Minuten darf keine währen. Darnach 
    mag man beurteilen, wie sehr mein Verfahren von den in gewissen Anstalten 
    geübten verschieden ist, und man verschone mich mit dem Vorwurfe, daß 
    ich die Patienten unmäßig lange im kalten Wasser belasse, was den 
    also Mißhandelten Rheumatismen, Gelenkrheumatismen u. a. notwendigerweise 
    zuziehen müsse. Ich sündige wahrlich nicht durch ein Übermaß.
    
    Noch sei bemerkt und eingeschärft wie beim kalten Vollbade: wessen Körper 
    kalt ist, wen fröstelt oder friert, der 
    
    88
    nehme nie eine Waschung, vor allem nie eine Ganzwaschung vor. Die ohnedies 
    geringe Naturwärme würde so noch bedeutend geschwächt und nur 
    schwer und lange nicht ersetzt werden. Fieber, Katarrh und anderes müßten 
    die unausbleiblichen Folgen sein.
    
    
1. Die Ganzwaschung.
    
    a) Die Ganzwaschung für Gesunde.
    Die Ganzwaschung erstreckt sich, wie der Name besagt, auf den ganzen Körper 
    (den Kopf ausgenommen), welcher von oben bis unten in einem Zuge gewaschen 
    wird.
    
    Am leichtesten geschieht sie in folgender Weise:
    
    Man nimmt ein rauhes, grobes Handtuch (mit dem kleinen Badeschwamm geht es 
    zu langsam), taucht es ins kalte Wasser und beginnt die Waschung an Brust 
    und Unterleib. Dann kommt die Reihe an den schwerer zugänglichen Rücken. 
    Eine Regel über das Wie der Rückenwaschung läßt 
    sich nicht geben. Ein jeder wird bald selbst den Vorteil finden, wie er dem 
    ganzen Rücken schnell und leicht beikommt. Den Abschluß bildet 
    die Waschung der Arme und Beine (Füße). Alles muß in einer, 
    längstens in zwei Minuten fertig sein. Jede Waschung, die darüber 
    währt, kann vom Übel sein. Zudem hüte man sich, die Waschung 
    an einem Orte vorzunehmen, an dem der Körper der freien Luft ausgesetzt 
    ist. Das hieße sich absichtlich verderben wollen.
    
    Ohne abzutrocknen zieht man möglichst rasch die Kleider an und sucht 
    Arbeit oder Bewegung bis zur völligen Erwärmung und Trocknung der 
    Haut.
    
    Wann und wie oft können Gesunde die Ganzwaschung vornehmen?
    
    Einmal, in der Frühe nämlich, wäscht sich jedermann Gesicht 
    und Hände. Auch die Ganzwaschung wäre in der Morgenfrühe gleich 
    beim Aufstehen vortrefflich angebracht. Da ist die Naturwärme, weil durch 
    die Bettwärme gesteigert, am stärksten; die Waschung wäre eine 
    angenehme Abkühlung, Auffrischung, die sofort den Halbschlaf vertreiben 
    und schon beim Beginne des Tagewerkes tüchtig, lebendig und frisch machen 
    würde. Von Zeitverlust kann da nicht die Rede sein, denn in einer Minute 
    ist die Ganzwaschung geschehen und es kann sofort zur Arbeit geschritten werden.
    
    Wie mancher in der Stadt macht im Frühjahr und im Sommer seinen Morgenspaziergang! 
    Er probiere vor 
    
    89
    demselben die Ganzwaschung. Ich bin überzeugt, ich brauche ihn zum zweiten 
    Male nicht aufzumuntern.
    
    Solche, welche nach dem Ganzbade weder Bewegung machen noch an eine Arbeit 
    gehen können und darin eine Entschuldigung suchen, tun unklug. Sie sollen 
    die Ganzwaschung ruhig vornehmen und sich nach derselben noch ein Viertel- 
    oder ein halbes Stündchen zu Bette legen. Auch dieses geht an.
    
    Wer es über sich bringt, - es ist eine so kleine Überwindung! - 
    eine Zeit lang täglich oder wenigstens alle 2-3 Tage seinem Körper 
    diesen Dienst zu erweisen, der dient demselben in Wahrheit gut und erwirbt 
    sich selbst den besten Lohn.
    
    Hat jemand in der Morgenfrühe keine Zeit, so ist jede Tagesstunde eine 
    gute Stunde zur Waschung. Man ziehe sich 2, 3 Minuten in seine Schlafkammer, 
    in die Waschküche usw. zurück, und die wohltuende Arbeit ist vorüber. 
    Daß wir doch nicht so überaus bequem und wasserscheu wären!
    
    Wenn der Schmied und Schlosser seine Werkstatt schließt, so wäscht 
    er sich den Ruß und den Kohlenstaub vom Gesichte; wenn der Landmann, 
    der auf Reinlichkeit was hält, vom Felde heimkehrt, so wäscht er 
    sich die Hände und nimmt zur heißen Sommerszeit vor jeder andern 
    Erfrischung einen Schluck Wasser, um sich Mund und Gaumen auszuspülen. 
    Wie gut wäre es erst, wenn beide nach dem ermüdenden Tagewerke den 
    letzten Schweiß sich in einer Ganzwaschung abwischen würden! Ich 
    wünschte, diese erquickende und stärkende Übung wäre vielmehr 
    bekannt.
    
    Nachts vor dem Schlafengehen kann nicht jeder eine Wasseranwendung vornehmen, 
    da diese manche Personen aufregt. Wer sie ertragen mag, verliert gerade da 
    die wenigste Zeit und wird fester und ruhiger schlafen, als er sonst gewöhnt 
    ist.
    
    Gar vielen, welche nachts nicht einschlafen konnten, habe ich statt der Ganzbäder 
    die leichtere Ganzwaschung und meistens mit gutem Erfolge empfohlen.
    
    Zur Winterszeit rate ich stets an, zuerst ungefähr 10 Minuten ins Bett 
    zu liegen und erst, nachdem der ganze Körper warm geworden, die Waschung 
    vorzunehmen.
    
    
b) Die Ganzwaschung für Kranke.
    Gerade bei Kranken habe ich stets die Erfahrung gemacht, nicht nur wie wenig 
    die Reibungen, Frottierungen usw. nützen, sondern auch wie sie vielmehr 
    gar oft schaden durch ungleichmäßige Erwärmung, durch Aufregung 
    u. a.
    
    90
    Vor allem dringe ich bei der Ganzwaschung der Kranken darauf, einmal, daß 
    der ganze Körper, die Fußsohlen sogar inbegriffen, gewaschen werde, 
    und dann, daß er gleichmäßig gewaschen werde: gleichmäßig 
    sowohl in Bezug auf das an alle Stellen des Körpers verwendete Quantum 
    Wasser, als auch in Bezug auf die Reibung, die mit jedem, selbst dem gelindesten 
    Waschen verbunden ist. So nur wird die Naturwärme sich gleichsam natürlich, 
    ungezwungen, gleichmäßig bilden; bei den angedeuteten Unregelmäßigkeiten 
    müßte ihr Eintreten ebenfalls unregelmäßig, an den verschiedenen 
    Stellen verschieden und, wenn nicht gerade von schädlicher, doch weniger 
    günstiger Wirkung sein.
    
    An Kranken lasse ich die Waschungen stets in folgender Weise vornehmen: Der 
    Kranke setzt sich im Bette auf oder wird, wenn er allzu schwach ist, aufgesetzt 
    und gestützt. Man wasche ihm schnell den Rücken, die ganze Wirbelsäule 
    auf und ab. Das ist die Arbeit einer halben Minute, und der Kranke legt sich 
    nieder. Jetzt wäscht man Brust und Unterleib; noch kräftige, nicht 
    allzusehr geschwächte Personen tun dieses in der Regel selbst. In längstens 
    einer Minute ist auch dies geschehen. Nun kommen die Arme an die Reihe und 
    endlich die Beine. In drei, längstens vier Minuten ist alles vorüber, 
    und der Kranke fühlt sich wohl, ja wie neugeboren.
    
    Wie ich jedem, selbst dem schwer Erkrankten täglich Gesicht und Hände 
    waschen kann, gerade so leicht kann ich mit gutem Willen und mit liebevoller 
    Sorgfalt diese Waschung vornehmen. Das zweite und dritte Mal wird auch die 
    Praxis schon eine bessere und größere sein.
    
    Sollte einem Schwerkranken die Waschung des ganzen Körpers in der Tat 
    auf einmal zu viel sein, dann teilt man die Ganzwaschung in 2 oder gar 3 Teilwaschungen. 
    Man wäscht in der Frühe Brust, Unterleib und Arme, nachmittags den 
    Rücken und die Füße; oder man wäscht in den Morgenstunden 
    die Brust und den Unterleib, gegen Mittag den Rücken, nachmittags die 
    Arme und die Beine.
    
    Eine vorsichtige, schnelle Waschung kann niemals schaden, selbst, wenn sie 
    mit dem frischesten Wasser, - was das Beste ist - vorgenommen wird.
    
    Wann und wie oft bei Kranken die Ganzwaschung zu geschehen habe, ist bei den 
    einzelnen Krankheiten angegeben.
    
    Ich bemerke hier nur noch, daß namentlich bei heftigem Fieber, dann 
    bei allen von heftigem Fieber begleiteten Krankheiten, besonders beim Typhus 
    und den Blattern die Ganzwaschungen 
    
    91
    eine Hauptrolle spielen und stets an die Stelle der kalten Ganzbäder 
    treten, wenn diese aus irgend einem Grunde nicht genommen werden können.
    
    Beim Fieber zeigen die sich steigernde Hitze und die damit verbundene Bangigkeit 
    stets selber die Zeit der jedesmaligen Wiederholung der Waschung an, die unter 
    Umständen jede halbe Stunde geschehen kann.
    
    Viele Krankheiten, wie Katarrh, Schleimfieber, Blattern, Typhus und andere, 
    habe ich durch die Ganzwaschungen allein geheilt.
    
    Bei schwächlichen Naturen verwende ich zur Waschung statt des Wassers 
    sehr oft den Essig (mit Wasser verdünnt). Abgesehen davon, daß 
    er gründlicher die Haut reinigt, die Poren öffnet, kräftigt, 
    stählt er auch.
    
    Gar oft bekommt man zu hören, daß Waschungen mit Wein, Spiritus 
    (den Essig nehme ich aus) usw. ganz außerordentliche Wirkung hervorbringen 
    sollen. Ich habe solche Waschungen recht oft probierend und forschend vorgenommen, 
    bin aber über das Niveau (Bereich) der ordentlichen, manchmal der recht 
    mittelmäßigen Wirkung nie hinausgekommen. Manchmal hat mich ein 
    Versuch ohne jeglichen Erfolg gelassen.
    
    Vor Jahren galt der Franzbranntwein als unübertreffliches Waschungsmittel; 
    tausende von Flaschen wurden verkauft und gekauft. Die Sache ruhte dann einige 
    Jahre und erst seit den letzten Jahren macht dieser Geist wieder in der ganzen 
    Welt die Runde.
    
    Derlei Mittel kamen und verschwanden zu verschiedenen Zeiten wie die Kometen. 
    Sie ziehen oft einen großen Schweif nach sich, dann aber verschwinden 
    sie für immer. Es sind nicht die regulären, die gewohnten Sterne, 
    die allnächtlich auftauchen und ruhig aber ohne Unterbrechung und ohne 
    Aufhören leuchten. Mit letzteren möchte ich das Wasser vergleichen. 
    Es wirkt, und seine Anwendungen werden bleiben, wenn derlei außerordentliche 
    Strömungen längst aufgehört haben zu fließen, zum Teil, 
    weil sie die Probe nicht bestanden.
    
    Ich wünschte nur recht lebhaft, daß das Wasser sich allgemein Bahn 
    bräche, besonders in die Kreise hinein, die zu seiner nutz- und segensvollen 
    Verbreitung und Anwendung alles tun könnten.
    
    
2. Die Teilwaschung
    betrifft nicht den ganzen Körper, sondern einen Teil desselben.
    
    92
    Dieselbe wird vorgenommen mit der Hand oder einem gröberen Handtuch und 
    frischem Wasser. Im weiteren gelten ganz die gleichen Regeln wie oben.
    
    Ob der Finger oder die Zehe, der Fuß oder die Hand oder was immer entzündet 
    sei, -überall und stets lösche man, wo es und wann es brennt.
    
    Etwaige nähere Bestimmungen, wann solche Teilwaschungen notwendig erscheinen, 
    stehen bei den einzelnen Krankheitsfällen selbst.
    
    
F. Wickelungen.
    Unter den Wickelungen sei zuerst genannt
    
    
1. Der Kopfwickel.
    Dieser Wickel kann auf 2fache Art genommen werden.
    
    Der ganze Kopf, Gesicht und Haare, werden gewaschen, ganz naß gemacht. 
    Das Wasser soll durchdringen bis auf die Haut; doch dürfen die Haare 
    nicht vom Wasser triefen. Das wäre des Guten zu viel.
    
    Darüber (über den ganzen Kopf) bindet man ein trockenes Tuch, in 
    der Art, daß es gut anliegend, luftdicht abschließt und nur die 
    halbe Stirne mit den Augen sichtbar läßt.
    
    Nach 1/2 Stunde schon, selten erst nach 1 Stunde, sind die Haare trocken.
    
    Es kann sodann die Waschung und der Umschlag 1, 2, ja 3 mal erneuert werden. 
    Man sehe nur darauf, daß das den nassen Kopf bedeckende Tuch beim Wickeln 
    recht trocken ist. Die zweite und dritte Anwendung werden je 1/2 Stunde währen; 
    man achte indessen genau darauf, daß vor jeder neuen Anwendung die Haare 
    stets vollständig getrocknet seien.
    
    Am Schlusse der letzten Anwendung gewöhne man es sich an, Hals und Kopf 
    leicht, kurz und kalt abzuwaschen und wie beim Waschen in der Frühe abzutrocknen.
    
    Besser noch geschieht die Anwendung auf folgende Art, besonders in Fällen, 
    in denen man starke Ausscheidungen erzielen will.
    
    Man wäscht den Kopf, wie oben angegeben wurde. Das Wickeln geschieht 
    dieses Mal mit zwei Tüchern, mit dem luftabschließenden Tuche der 
    ersten Art der Anwendung, dann noch mit einem leichteren, ebenfalls gut anliegenden 
    und abschließenden Wolltuche.
    
    Wäre die Hitze des Kopfes sehr groß, so könnte außer 
    
    
    93
    den Haaren die unter dem Wolltuche liegende Umhüllung auch genäßt 
    werden.
    
    Soll die ganze Anwendung längere Zeit dauern, so säume man nicht 
    mit dem Wechsel; er wird im höchsten Falle 25 bis 30 Minuten aufgeschoben 
    werden können.
    
    Die Anwendung wird beschlossen wie oben.
    
    Kopfleiden, hauptsächlich rheumatischer Art, die durch Verkühlung, 
    Erkältung, raschen Temperaturwechsel entstanden sind, zahlreiche Schuppen, 
    trockene Ausschläge, kleine Geschwüre auf dem Haarboden, werden 
    mit Erfolg durch den Kopfwickel behandelt.
    
    
2. Der Halswickel.
    Die gelinde Form des Halswickels besteht darin, daß man mit der Hand 
    oder mit einem Handtuche den ganzen Hals naß macht und ihn mit einer 
    trockenen groben Linnenbinde in 3-4 Windungen (Umgängen) 
    sorgfältig, aber nicht zu fest umwindet. Es soll eben der Zutritt der 
    frischen Luft zu der benetzten Stelle verhindert werden.
    
    Die zweite Art der Wickelung geschieht also, daß ein weiches Handtuch 
    in frisches Wasser getaucht und um den Hals gelegt wird. Das nasse deckt ein 
    trockenes Handtuch und beide eine Woll- oder Flanellbinde. Wer diese nicht 
    besitzt, kann jedweden trockenen Wollstoff verwenden und soll nur stets für 
    luftdichtes Abschließen besorgt sein.
    
    Nach meiner ganzen bisherigen Erfahrung muß ich im Allgemeinen gegen 
    langwährende Anwendungen sprechen; sie bewirken sehr oft das Gegenteil 
    von dem, was sie bezwecken: Verschlimmerung statt Besserung. Das ist denn 
    sehr oft mit ein Hauptgrund, daß die Anwendungen überhaupt den 
    Kredit, das Vertrauen einbüßen. Ein derart abgeschreckter, weil
    getäuschter Kranker bleibt stets schwer zu bekehren, alle Überredungs- 
    und Überzeugungkünste scheitern.
    
    Diese allgemeine Bemerkung möchte ich jetzt insbesondere auf die Wickelungen 
    beziehen, den Halswickel nicht ausgenommen.
    
    Sämtliche Wickel wollen und sollen vorzüglich dahin wirken, übermäßiges, 
    ungeordnetes Strömen des Blutes nach irgend
    einer Stelle hin zu verhindern, das Blut abzulenken, wegzuziehen von dieser 
    Stelle, sodann sehr große Hitze aus- und abzuleiten.
    
    Wenn ich den Wickel nun allzu lange, z. B. eine ganze Nacht 
    
    94
    an der kranken Stelle belasse, so wird diese Stelle warm und immer wärmer, 
    es strömt mehr Blut zu, sie wird zuletzt oft fürchterlich heiß, 
    und die Entzündung, das Übel, muß verschlimmert werden.
    
    Die Folgerungen, welche sich hieraus für den Halswickel ergeben, liegen 
    auf der Hand.
    
    Ich bin durchaus gegen vielstündige oder gar ganznächtige Anwendungen. 
    Eine vollständige Anwendung dauert bei mir 1, höchstens 1½ 
    Stunden, und es soll nach jeder halben Stunde, unter Umständen nach je 
    20 Minuten, der nasse Umschlag erneuert, das ist von neuem eingetaucht und 
    nach obiger Weise umwunden werden. Dieses Neueintauchen kann also innerhalb 
    einer Anwendung 2-4 mal geschehen. Es ist nicht bei jedem Patienten gleich 
    und hängt ab von der geringeren oder größeren Hitze, welche 
    derselbe verspürt. Das Gefühl einer gewissen Unlust und Bangigkeit 
    darf als der beste Zeiger gelten, der die Zeit zum Wechseln angibt.
    
    Bei Halsentzündungen, Schlingbeschwerden, bei manchen Kopfleiden ist 
    der Halswickel vorgeschrieben; zu gleicher Zeit wird man suchen, durch Anwendungen 
    auf andere Körperteile, z. B. die Füße (nasse Socken), oder 
    auf dem ganzen Körper ihm entgegenzuarbeiten.
    
    
3. Der Schal.
    Der Schal ist eine spezielle Anwendung für die Brust und den oberen Teil 
    des Rückens. Jede Frau und jedes Mädchen kennt das unter diesem 
    Namen besonders auf dem Lande gebräuchliche Kleidungsstück. Es ist 
    ein viereckiges, größeres Wolltuch, welches, einmal und zwar im 
    Dreieck zusammengefaltet, so über die Schultern geworfen wird, daß 
    der größere Winkel auf den Rücken, die beiden kleinen spitzen 
    Winkel auf die Brustseite zu liegen kommen.
    
    

 Fig. 17. 

 
    Fig. 18.
    
    Der Schal als Wickel ist ausgebreitet ein grobes quadratförmiges Leinwandstück, 
    1 bis 1½ m lang und ebenso breit. Als gleichschenkeliges Dreieck zusammengelegt 
    und nach der oben angegebenen Art über die Schultern 
    
    95
    gebreitet, kommt der größere, der rechte Winkel auf den Rücken 
    zu liegen und reicht bis unter das Kreuz, die beiden spitzen Winkel fallen 
    über die Brust herab und schließen gleich oben am Halse gut zusammen 
    und kreuzen sich auf der Brust. (s. Abbildung.)
    
    

 Fig. 19. 

 
    Fig. 20.
    
    Der Wickel wird in kaltes Wasser getaucht, ausgewunden, auf den bloßen 
    Körper gelegt und mit trockener Linnen- oder Wollhülle luftdicht 
    abgeschlossen.
    
    Sehr bald fühlt man, wie eine angenehme Wärme sich entwickelt, wie 
    das nasse Tuch warm, ja allmählich heiß wird.
    
    Die Anwendung des Schals kann ½-1½, in seltenen Fällen 
    bis 2 Stunden dauern; letzteres dann, wenn stärkere Ableitungen gewünscht 
    werden. Bei längerer Dauer darf man die Erneuerung, d. i. Neueintauchung 
    des Wickels nicht übersehen. Dieses geschieht nach ungefähr ½-¾ 
    Stunden, in der Regel dann, wenn die Hitze stark, der Wickel warm, heiß 
    wird.
    
    Bei Hitzen, Kongestionen und beginnenden Entzündungen an oder im Kopfe, 
    bei fieberhaften Katarrhen bei Verschleimungen im Hals, in der Luftröhre, 
    auf der Brust wirkt unser ganz unschuldiger Wickel auflösend und ableitend.
    
    Die größten und auffallendsten Dienste hat er stets gemüts- 
    oder geisteskranken Personen des schwachen Geschlechtes erwiesen. In Verbindung 
    mit einer andern, ebenso leichten Anwendung reichte der Schal vollkommen aus, 
    den Blutandrang zum Kopfe aufzuheben, den überfüllten Kopf zu entbluten.
    
    Diese zweite Anwendung bestand gewöhnlich in nassen Socken oder in Fußwickeln 
    oder in einem warmen Fußbade mit Asche und Salz.
    
    
4. Der Fußwickel.
    Dieser Wickel ist stets eine wichtige Nebenanwendung, d. h. ein Hilfsmittel, 
    welches anderen Anwendungen helfend entgegenarbeitet. Wir unterscheiden einen 
    doppelten Fußwickel, nämlich:
    
    
a) Den eigentlichen Fußwickel.
    Landleute, welche mehr beschränkt sind in Zeit und Mitteln, nehmen diesen 
    Wickel am einfachsten, indem sie ein paar nasse 
    
    96
    Socken und darüber trockene Wollstrümpfe anziehen und sich dann 
    während der Anwendungszeit ins Bett legen unter eine gute Zudecke.
    
    Wem dieses nicht behagt, der tauche grobe leinene Lappen oder eine Linnenbinde 
    in halb Wasser, halb Essig, umwinde damit die Füße bis über 
    die Knöchel, bringe den trockenen Umschlag, am besten eine Woll- oder 
    Flanellbinde, darüber und decke sich im Bette ordentlich zu.
    
    Die Anwendung dauert 1-1½-2 Stunden und schreibt stets das Bett vor.
    
    Entwickelt sich starke Hitze, und handelt es sich bei der betreffenden Anwendung 
    gerade um deren Ableitung wie z. B. bei der Lungen-, der Brustfellentzündung, 
    bei Entzündung im Unterleibe, so soll der Wickel wiederholt, bei jeder 
    größern Hitze neu eingetaucht werden.
    
    In allen Fällen, in denen es sich darum handelt, krankhafte Säfte 
    aus den Füßen auszuziehen, bei Entzündungen die Hitze zu nehmen, 
    das Blut vom oberen Körper nach unten zu ziehen, leistet dieser Fußwickel 
    treffliche Dienste.
    
    Man verwechsle ihn nicht mit dem Fußbade und seinen Wirkungen! Wie die 
    Dauer des Fußbades eine bedeutend kürzere, so ist seine Wirkung 
    eine beschränktere. Wohl leitet auch es die Wärme, das Blut in die 
    Füße; aber eine Reinigung, eine Ausleitung verdorbener Säfte 
    aus den Füßen vermag kein kaltes und kein warmes Fußbad zustande 
    zu bringen.
    
    Eine Anwendung dieses Wickels darf ich nicht vergessen.
    
    Wer die Wasserübungen am Abend ertragen kann, der ziehe nasse Socken 
    an beim Schlafengehen, darüber natürlich stets trockene. So verliert 
    er absolut keine Zeit; er wird prächtig schlafen und braucht auf keine 
    bestimmte Zeitdauer acht zu haben. Nur das eine merke er sich, daß er 
    beim Aufwachen in der Nacht oder in der Morgenfrühe die nassen Socken 
    ungesäumt weggibt.
    
    Landleuten, die abends recht müde sind, zieht dieser Sockenwickel alle 
    Müdigkeit aus den Füßen, noch gründlicher als das kalte 
    Fußbad.
    
    Wer an kalten Füßen leidet, probiere einmal diese Nachtwickel. 
    Auch Fußschweißlern habe ich dieselben oft mit Erfolg angeraten, 
    jedoch erst nachdem mehrere Fußdämpfe vorangegangen waren.
    
    97 
    
b) Den Wickel über die Knie.
    Kräftiger als der eigentliche Fußwickel in der unter a) beschriebenen 
    Weise wirkt ein Wickel bis über die Knie.
    
    Die nasse Linnenbinde, welche beim Fußwickel bis über die Fußknöchel 
    reicht, wird fortgesetzt, fortentwickelt bis über die Knie und gut mit 
    trockener, am besten wollener Umhüllung versehen.
    
    Die Dauer dieses Wickels, auch das andere Verhalten ist dasselbe wie beim 
    Fußwickel a.
    
    Zur Ausleitung von Hitze im Oberkörper, zur Hebung großer Müdigkeit, 
    speziell zur Lösung quälender Winde, versessener Gase empfehle ich 
    den Wickel angelegentlich.
    
    Man verwechsle ihn nicht mit dem bei den Halbbädern genannten ins 
    Wasserstehen bis über die Knie. Diese Anwendung ist rein stärkender, 
    nie ableitender Natur.
    
    
5. Der Unterwickel
    führt seinen Namen aus dem Grunde, weil er hauptsächlich gegen Gebrechen 
    des Unterleibes und der Füße gerichtet und deshalb der speziell 
    dem Unterleibe zugedachte Wickel ist. Er beginnt unter den Armen und reicht 
    bis über die Fußspitzen. Der oberste Teil des Oberkörpers, 
    die Schultern mit den Armen, die frei bleiben, sind unberührt und müssen, 
    wenn der Behandelte zu Bette liegt, gut mit dem Hemde, besser noch mit wärmerer 
    Bekleidung bedeckt werden, daß von oben her nicht etwa Luft eindringe.
    
    Der Unterwickel wird also bereitet und genommen: Auf das die Matratze oder 
    den Strohsack bedeckende Leintuch wird der Länge nach eine möglichst 
    breite Wolldecke ausgebreitet. Das zum Wickel bestimmte Linnen soll so groß 
    sein, daß es zum mindesten zweimal, in manchen Fällen 3-4 mal um 
    den Körper und 
    
    98
    bis über die Fußspitzen hinaus reicht (2-3-4fache Fätschung). 
    Man nimmt es am besten doppelt gefaltet, taucht es in kaltes Wasser, windet 
    es aus, so daß es nicht mehr triefet, und legt es in Form eines Rechteckes 
    auf den bereit liegenden Wollteppich ins Bett. Auf der nassen Unterlage nun 
    nimmt man Platz, schlägt sie rechts und links ein, aber so, daß 
    Naß über Naß geht und keine Stelle des Unterleibes unbedeckt 
    bleibt. Darüber wird die unter dem nassen Linnen gebreitete Wolldecke 
    als schützende und luftabschließende Hülle zusammengezogen 
    und das Ganze mit dem Federbett sorgfältig zugedeckt. Die Füße 
    werden meistens noch eine Extrazudecke erfordern. (s. Abbildung.)
    
    

 Fig. 21.
    
    Die Sache ist nicht so verwickelt, wie es beim Lesen erscheinen könnte, 
    der ganze Hergang kann dadurch erleichtert werden, daß der Behandelte 
    außer Bett, vielleicht mit Badehosen bekleidet, den nassen Wickel vorschriftsmäßig 
    um sich hüllt und sich derart eingehüllt auf die ausgebreitete Wolldecke 
    legt. Jetzt kann ihm, damit alles rasch ohne Verzug geschieht, daß er 
    möglichst geringe Zeit der Luft ausgesetzt ist, leicht jemand behilflich 
    sein, das ist den nassen Wickel etwas glätten, zurecht legen, die Ränder 
    anschließend machen, besser übereinander legen, den Patienten endlich 
    sorglich zudecken.
    
    Freilich ist die Sache stets etwas umständlich, doch wie mir scheinen 
    will, einfacher und leichter als ein Umwickeln mit eigens dazu bereiteten 
    Binden, welche ich bei größeren und den größten Wickeln 
    nie verwende.
    
    Bei einiger Praxis ergibt sich ein Vorteil nach dem andern. Ich kenne viele, 
    die ohne Mühe und in kürzester Zeit (das ist eine Hauptsache) sämtliche 
    größeren Wickel sich selbst allein zu bereiten und umzulegen wissen.
    
    Hier schon möge eine Bemerkung Platz finden, die manchen das beim Lesen 
    empfundene Schauern oder Kaltüberrieseln nehmen wird.
    
    Wer die Furcht vor dem kalten Wasser nicht überwinden kann, wer wenig 
    Naturwärme, zartere Nerven usw. hat, tauche den Wickel ganz ruhig in 
    heißes Wasser ein.
    
    Schwächlichen, gebrechlichen, blutarmen, namentlich älteren Leuten 
    mache ich diese Eintauchung nicht gerade zur strengen Vorschrift, gebe ihr 
    aber stets den Vorzug.
    
    Die Anwendung des Unterwickels dauert 1, 1½, manchmal 2 Stunden. Das 
    anfängliche Kältegefühl wird bald einer angenehmen Wärme 
    weichen.
    
    99
    Einfache, arme Land- und Bauersleute können diese ganze Geschichte viel 
    einfacher haben. Sie suchen sich einen alten, ziemlich abgenützten, deshalb 
    weniger steifen Getreidesack aus, tauchen denselben ins Wasser, winden ihn 
    ordentlich aus und schlüpfen dann bis unter die Arme in den Sack, gleich 
    als wenn sie die Hosen anziehen würden. In dieser altmodischen Tracht 
    legen sie sich auf die ausgebreitete Wolldecke ins Bett und wickeln sich in 
    diese und das Federbett tüchtig ein. Hunderte haben diese Art von Sackjucken 
    probiert. Schäme dich nicht, der Sack wird auch dir recht wohl bekommen!
    
    Die Wirkung des Unterwickels, welcher stets mit anderen Anwendungen verbunden 
    wird, ist verschieden: wärmend, auflösend und ausleitend. Er übt 
    diese Wirkung, wie bereits gesagt wurde, vornehmlich aus auf den Unterleib. 
    Bei Fußgeschwülsten, rheumatischen und gichtischen Zuständen, 
    bei Nierenleiden, Blähungen, Krämpfen usw. wird er regelmäßig 
    zur Mithilfe beigezogen werden.
    
    Anstatt des einfachen kalten oder warmen Wassers verwende ich sehr häufig 
    zum Eintauchen die Absude von Heublumen, saurem Heu, Haferstroh, Fichtenreisern. 
    Das saure Heu gilt als Ersatzmittel für Heublumen. Beide dienen bei Harnbeschwerden 
    und in untergeordneter Weise bei Gries- und Steinleiden.
    
    Absud von Haferstroh hat sich jederzeit bewährt bei der Gicht, bei Gries- 
    und Steinleiden; Absud von Fichtenreisern bei schwächlichen Naturen zur 
    Ausleitung von Gasen und zur Beseitigung der verschiedensten krampfhaften 
    Zustände im Unterleib.
    
    
6. Der kurze Wickel
    ist der am meisten genannte und gebrauchte. Er bildet für sich allein 
    eine abgeschlossene Anwendung, d. h. er wirkt, ohne daß andere Wasserübungen 
    beizuziehen sind, auf den ganzen Körper. Er steigert die Naturwärme 
    und zieht anderseits zu große Hitze aus, je nachdem seine Anwendung 
    längere oder kürzere Zeit dauert.
    
    Dieser Wickel ist alles wert, hat einmal einer gesagt; was 
    der Sattelgaul am Fuhrwerke, das leistet er unter den Wickeln.
    
    Zu seiner Beliebtheit und allgemeinen Verbreitung hat sehr viel der Umstand 
    beigetragen, daß ihn ein jeder selbst leicht und bequem nehmen und umlegen 
    kann. Der kurze Wickel beginnt wie der Unterwickel seine Wickelungen unter 
    den 
    
    100
    Armen und beendet sie oberhalb der Knie. Ein grobes Linnentuch wird 4-6fach 
    in solcher Breite zusammengefaltet, daß es den Körper in besagter 
    Weise umhüllt, sodann naß gemacht, ausgewunden und gut anschließend 
    umgelegt. Eine Wolldecke schließt luftdicht ab, und das Federbett gibt 
    die notwendige Wärme. (s. Abbildung.)
    
    

 Fig. 22.
    
    Schwächliche und ältere Personen, mit einem Worte die Blutarmen, 
    deren Blutwärme nicht viel über dem Gefrierpunkte steht, dürfen, 
    ja sollen auch diesen Wickel warm nehmen.
    
    Arme und einfache Leute auf dem Lande können statt des 4-6fach gefalteten 
    Linnentuches wieder einen abgenützten, weicheren Getreidesack netzen 
    und denselben der Breite nach umlegen.
    
    Die ganze Anwendung dauert je nach Vorschrift 1, 1½, zuweilen 2 Stunden.
    
    Würden gesunde Leute alle 8, auch nur alle 14 Tage einen kurzen Wickel 
    nehmen, so könnten sie einer großen Anzahl Krankheiten gründlich 
    vorbeugen. Auch er wirkt günstig und reinigend auf Niere und Leber und 
    auf den Unterleib, den er von versessenen Winden, quälenden Gasen, verlegenen 
    Stoffen, überflüssigem Wasser reinigt. Die Wassersucht, Herz- und 
    Magenleiden, die sehr häufig vom Druck der Gase nach oben herrühren 
    und aufhören, sobald diese entfernt werden, sind den Freunden des kurzen 
    Wickels unbekannte Gäste. Und ich kenne eine Zahl solcher treuen Freunde, 
    welche manche Nacht in seiner Umhüllung schlafen und bis zum Morgen überaus 
    gut und sanft ruhen.
    
    Bei Verschleimungen des Magens, bei Herz- und Lungenübeln, bei den verschiedensten 
    Kopf- und Halsleiden findet der kurze Wickel die mannigfaltigste Verwendung. 
    Das Nähere besagt im dritten Teile eine Reihe von Krankheiten.
    
    Wenn ich im unklaren bin über ein Übel, wenn ich den Sitz einer 
    Krankheit nicht genau erkenne, so ist stets der kurze Wickel der treueste 
    und beste Ratgeber. Auf nähere Ausführung kann ich mich nicht einlassen.
    
    101 
    Patienten, deren Unterleib durch was immer geschwächt ist, rate ich unmittelbar 
    vor oder nach dem Wickel den Unterleib mit Schweinefett oder Kampferöl 
    einzureiben.
    
    Bei Krämpfen lasse ich auch manchmal ein in Essig getauchtes einfaches 
    Tuch unter den Wickel auf den bloßen Leib legen.
    
    
7. Das nasse Hemd.
    Diese Anwendung habe ich gewählt, weil sie auch von den einfachsten Menschen 
    mit geringer Fassungskraft nicht leicht mißverstanden werden kann.
    
    Ein gewöhnliches Linnenhemd wird in Wasser getaucht, ordentlich ausgewunden 
    und wie üblich angezogen. Man legt sich ins Bett, auf eine ausgebreitete 
    Wolldecke, hüllt sich gut ein oder läßt sich gut einhüllen 
    und mit einem Federbett warm zudecken.
    
    Ich kannte einen Herrn, welchem auch dieses Verfahren noch zu umständlich 
    war. Er stellte sich im Hemde in eine Badewanne und ließ über das 
    Hemd und seinen Körper eine Kanne mit Wasser gießen. Darauf ließ 
    er sich in eine Wolldecke hüllen und er konnte von dieser ersten 
    und besten aller Anwendungen nicht genug rühmen, wie sie guten 
    Schlaf bringe, den Humor froh, den Geist geweckt und den Körper frisch 
    mache.
    
    In dem nassen Hemde bleibt man 1, 1½, längstens 2 Stunden. Bezüglich 
    seiner Wirkung habe ich die Erfahrung gemacht, daß es die Poren öffnet, 
    und wie ein gelindes Zugpflaster auszieht, daß es beruhigt, Kongestionen 
    und krampfhafte Zustände hebt, gleichmäßige Naturwärme 
    hervorbringt und das Allgemeinbefinden des Körpers hauptsächlich 
    wegen seiner ausgezeichneten Wirkung auf die Haut zu einem sehr guten macht. 
    Mit sehr gutem Erfolge habe ich es bei Gemütsleiden, bei Kindern, beim 
    Veitstanz und ähnlichen Erscheinungen, besonders auch bei Hautkrankheiten 
    angewendet. Sollten in letzteren Fällen starke Ausleitungen erzielt, 
    Ausschläge, wie Scharlach usw. hervorgelockt werden, so ließ ich 
    das Hemd in Salzwasser oder in mit Essig vermischtes Wasser tauchen.
    
    
8. Der spanische Mantel.
    Diesen Namen habe ich nicht erfunden; ich habe auch keinen genügenden 
    Grund, den unter solcher Benennung bekannten und eingebürgerten Wickel 
    anders zu taufen, selbst auf die Gefahr hin, daß das fremdländische 
    Wort manchem schnüffelnden Leser 
    
    102
    spanisch vorkommen sollte. Das ist und wäre mir alles eins. Auf die so 
    bezeichnete Sache kommt es allein an.
    
    Der spanische Mantel, auch großer Wickel genannt, ist wie das Vollbad 
    und der kurze Wickel eine ganze, für sich allein genügende Anwendung, 
    welche auf den ganzen Organismus einwirkt. Das hindert nicht, daß sie 
    bei größeren und gefährlicheren Krankheiten stets nur im Wechsel 
    mit anderen Wasseranwendungen vorkommt.
    
    Worin besteht dieser größte Wickel?
    
    Aus grober Leinwand, dem beim Volke bekannten Reisten, wird eine 
    Art Linnenmantel gemacht. Derselbe gleicht einem weiten Hemde mit Ärmeln, 
    welches nach vorne zu ganz offen ist und bis über die Zehen hinunterreicht, 
    oder, wenn man will, einem weiten, langen Linnen-Schlafrock. (s. Abbildung.) 
    
    
    

 Fig. 23.
    
    Dieser Mantel wird in kaltes oder bei schwächeren, blutarmen, älteren, 
    wasserscheuen Individuen in heißes Wasser getaucht, ausgewunden, wie 
    ein Hemd angezogen und vorne gut übereinander geschlagen. Das Bett werde 
    vorher so zubereitet, daß die Wolldecken zur Aufnahme des Bemantelten 
    bereit liegen. Am besten breitet man eine recht breite, große Wolldecke 
    aus, oder legt zwei kleine Decken der Breite nach über die Matratze oder 
    den Strohsack. Darauf legt sich der Patient und wird durch die Wolldecken 
    luftdicht abgeschlossen und mit einem Plumeau (Federbett) warm zugedeckt. 
    (s. Abbildung.) 
    
    

 Fig. 24.
    
    Man sehe darauf, daß die nasse Einkleidung und die 
    
    103
    Verpackung in die Wolle möglichst rasch vor sich gehe, daß das 
    der frischen Luft Ausgesetztsein ein Minimum, eine möglichst kleine Zeit 
    ausmacht.
    
    Es kam einst ein Patient zu mir, der an allen möglichen Gebrechen litt. 
    Kongestionen, Blähungen, Hämorrhoiden plagten ihn, und eine Herzverfettung 
    brachte große Beängstigungen. Er gewöhnte sich daran, in der 
    Woche 1-2 mal den spanischen Mantel umzulegen, und nach längerem Gebrauche 
    waren all die genannten Übel mit noch anderen wie weggeblasen. Seitdem 
    benützt der Geheilte bis zum heutigen Tag den spanischen Mantel als Universalmittel, 
    und da er nicht viel Zeit zu versäumen hat, zieht er denselben an beim 
    Schlafengehen und legt ihn erst ab beim Aufwachen in der Nacht oder in der 
    Morgenfrühe. Der Herr ließ sich aus starkem Wollstoff einen zweiten 
    spanischen Mantel machen, der ihm statt der Wolldecken trefflich dient und 
    jede Mithilfe bei Anwendung dieses Wickels erspart.
    
    Die Zeitdauer einer Anwendung beträgt 1, 1½, längstens 2 
    Stunden. Dieselbe richtet und bemißt sich nach der Kraft des Individuums, 
    insbesondere nach der Korpulenz. Für einen schwächlichen Bauersmann 
    werden 1, 1½ Stunden genügen; einem Herrn Bräumeister kann 
    man ohne Zögern 2 Stunden verordnen.
    
    Wer wissen will, wie und wie stark der spanische Mantel wirke, der untersuche 
    das Wasser, in welchem der Wickel nach der Anwendung stets sorgfältig 
    ausgewaschen werden soll. Er wird finden, daß es ganz trüb ist; 
    ja er wird staunen und es kaum glaublich finden, daß ein spanischer 
    Mantel solchen Unrat auszuziehen imstande ist.
    
    Ich erinnere mich an Fälle, in denen der weiße Linnenwickel ganz 
    gelb wurde, welche Farbe keine Lauge, erst das Bleichen auf dem Grase wieder 
    vertreiben, aussaugen konnte.
    
    In der gelindesten (nicht im mindesten schroffen) Form, aber gründlich 
    öffnet der spanische Mantel die Hautporen am ganzen Körper und zieht 
    allen Unrat, Schleim usw. aus. Ich brauche nicht zu sagen, wie wohltuend er 
    deshalb auf die normale Körpertemperatur, auf das Allgemeinbefinden wirken 
    muß.
    
    Im besonderen wende ich diesen großen Wickel an bei ziemlich allgemeinen 
    (den ganzen Körper mehr oder weniger angreifenden) Katarrhen, bei Schleimfieber, 
    Podagra, Gliedersucht, Blattern, Typhus, zur Vorbeugung gegen Schlaganfälle 
    usw. Im Krankheitsteile (s. III. Teil) wird man ihm recht oft begegnen.
    
    104
    Wird der Mantel im Absude von Heublumen, Haferstroh, Fichtenreiser getaucht, 
    so wirkt er vortrefflich gegen jene Leiden (Gicht-, Stein-, Gries-Leiden usw.), 
    deren Heilung genannten Pflanzen eigentümlich ist.
    
    
G. Trinken des Wassers.
    In diesem Stücke kann ich mich sehr kurz fassen. Ich warne vor zwei Extremen, 
    d. h. vor zwei das richtige Maß überschreitenden Ansichten. Es 
    sind einige Jahrzehnte her, da gab es förmliche Wassertrinkturniere. 
    Wer die meisten Maßerl zwang, der war der größte 
    Held. Ein tägliches Quantum von 4, 6, 8, 10 Maß zählte durchaus 
    nicht zu den Seltenheiten. Noch heutzutage spukt in manchem Kopfe der Gedanke, 
    viel Wassertrinken müsse gesund machen. Besser noch diese Grille als 
    die andere, welche dem glühenden Hirn vorsingt, 3, 4, 5 Maßerl 
    braunes Gerstenwasser sei nicht zuviel Flüssiges für die Menge des 
    täglich eingenommenen Festen.
    
    Den Leuten der zweiten Gattung scheint das Gegenteil von dem Gesagten das 
    Richtige sein, sie trinken wochen-, ja monatelang gar kein Wasser, denn das 
    Wassertrinken ist nicht vom Guten; sie scheuen auch das Bier; noch weniger 
    kosten sie den Wein; denn solcher Geist ist vollends Gift.
    
    Wie doch die Menschen zu Zeiten allen gesunden Sinn verlieren, sich förmlich 
    jedes vernünftige Urteil unterbinden, jedem instinktiven Trieb und Gefühl, 
    dem die Tiere blind Folge leisten, um es gemein zu sagen, von vornherein den 
    Hals abschneiden. Ist dieses vernünftig?
    
    Einige Minuten, bevor die Uhr schlägt, kündigt sichs an. Hat 
    denn der große Werkmeister, unser Schöpfer, etwas Halbes, ein Pfuschwerk 
    gemacht? Oder haben die Menschen in seine wunderbare Ordnung die Unordnung 
    gebracht? So ist es. Der unendlich weise Schöpfergott läßt 
    den Hunger ein Zeichen geben, wann gegessen, den Durst anklopfen, wann getrunken 
    werden soll. Der Menschenkörper, diese lebendige Uhr vom besten Gang 
    und Schlag, liefe und schlüge vortrefflich, wenn nicht der Menschentor 
    Schmutz und Sand und anderen Unrat zwischen die Räder werfen und so den 
    geordneten Lauf stören, vielleicht zerstören würde.
    
    So oft die zahmen und wilden Tiere Hunger verspüren, suchen sie Nahrung; 
    so oft der Durst sich einstellt, eilen sie zum frischen Quell. Nach erfolgter 
    Sättigung hören sie sofort auf, ein Weiteres zu sich zu nehmen.
    
    105
    Gerade so handelt der unverdorbene Mensch bei geregelter Lebensweise, gleichviel, 
    ob er gesund sei oder krank.
    
    Demnach lautet unser einziger und oberster, hierher gehöriger Grundsatz, 
    ein goldener Grundsatz, den ein jeder
    befolgen sollte:
    
    Trinke, so oft es dich dürstet, und trinke nie viel!
    
    Ich kenne Personen, welche die ganze Woche hindurch vielleicht keinen
    Tropfen Wasser trinken, andere, die sich beim Frühstück mit dem
    herkömmlichen Glase für den ganzen Tag begnügen. Sie fühlen 
    niemals
    Durst und dieses erklärt sich also, daß bei unserer Zubereitung 
    von
    Speisen in letzteren dem Körper täglich eine Menge Wasser zugeführt
    wird. Wenn wir von großen Erhitzungen des Sommers oder von den in der
    Regel eine Krankheit anmeldenden Hitzen im Körper absehen, so ist der
    eigentliche Durst vielen Menschen ein seltener Gast, und es bleibt mir
    wenigstens stets ein Rätsel, wie gleichwohl so viele Menschen ohne
    jedes Bedürfnis im armen Magen förmliche Überschwemmungen anrichten. 
    So
    etwas kann ja nicht ungerächt bleiben.[15]
    
    106
    Trinke, so oft es dich dürstet, und trinke nie viel!
    
    Die Landleute lieben den Platzregen gar nicht; sie behaupten, daß er 
    unfruchtbar sei und mehr zerstöre als nütze. Dagegen versichern 
    sie, daß jene starken Morgennebel, welche den Bauern den Hut netzen, 
    daß er triefet, ihre lieben Freunde seien, weil sie die beste 
    Fruchtbarkeit bringen und befördern.
    
    Der Körper, speziell der Magen, bedarf Flüssiges, um seinen Magensaft 
    zuweilen zu verdünnen, zu mehren und so über all die festen Insassen 
    Meister zu werden. Er meldet sich jedesmal, wenn die Not an ihn herantritt, 
    bald durch leises Anklopfen im geringen Verlangen nach Wasser, bald durch 
    lautes Pochen und Schreien im heftigen Durste. Da soll man stets auf ihn hören, 
    mag nun das Rufen von einem gesunden oder kranken Magen ausgehen, aber ihm 
    nie mehr geben, als ihm selbst gut ist, kleine Mengen in gehörigen Zwischenräumen; 
    in Erkrankungsfällen zumal, wie in der Fieberglut, eher öfter, z. 
    B. alle 5-10 Minuten ein Eßlöffel, als auf einmal ein Glas. Letzteres 
    würde den Durst nicht stillen und zum bestehenden Übel eine neue 
    Beschwerde hinzufügen.
    
    Ein Beispiel meines Vorgehens möge diesen Abschnitt schließen. 
    Es leidet jemand an hartem Stuhlgange, große Hitze quält den Unterleib, 
    heftiger Durst den armen Kranken; er könnte, wie er sagt, 2, 3, 4 Glas 
    Wasser, Glas auf Glas trinken; es ist ihm, als ob es in einen Glühofen 
    geschüttet werde. Ich glaube 
    
    107
    das; die Wassermasse kommt in den Magen und macht dann, ohne die leidende 
    Stelle irgend zu berühren und günstig zu beeinflussen, eine rasche 
    Wanderung durch den Leib, bis sie vollinhaltlich, ja noch eine ordentliche 
    Menge des unentbehrlichen Magensaftes mit sich schwemmend, ausgeschieden wird. 
    Man gebe dem Kranken statt der vielen Gläser mit Wasser während 
    eines Tages jede halbe Stunde einen Eßlöffel voll. Man wird ganz 
    andere Wirkung verspüren, eine Wirkung, welche das notwendige Ergebnis 
    einer vernünftigen Behandlung sein muß.
    
    Die kleine Menge Wasser wird schnell vom Magensafte erfaßt und leicht
    mit demselben vermischt. Die eine jede halbe Stunde erfolgende
    Nachspeisung gibt reichlichere Säfte, die kühlend und in normalem 
    Laufe
    den Körper, die Eingeweide durchströmen und erweichend und lösend
    binnen kurzer Zeit allen Stockungen und Verhärtungen ein Ende machen.
    Unzählige haben in dieser Beziehung meinen Rat befolgt und schnell ward
    ihnen geholfen. Probatum est!
    
    In der allerneuesten Zeit wurde viel gesprochen und geschrieben von den Wirkungen 
    des Trinkens von heißem Wasser (30 bis 35°C. wie bei Kaffee und 
    Tee), besonders bei chronischen Krankheiten. Ich selbst habe vor Jahren bei 
    manchem Patienten gute Erfolge erzielt. Ehre, wem Ehre gebührt! Wer dem 
    warmen Wasser vor dem kalten, frischen Elemente den Vorzug gibt, wer wollte 
    ihn tadeln oder gar verurteilen! Das ist Geschmacksache. Ich habe indessen 
    durch Erfahrung gefunden, daß kaltes, lebendiges (nicht getötetes) 
    Wasser dieselben, wenn nicht bessere Dienste tut. Ich für meine Person 
    ziehe es jedem lauwarmen oder heißen Wasser vor. Jeder wähle, wozu 
    ihn das Verlangen treibt!
    
    109 
    
Zweiter Teil
    
    Apotheke
    
    Benedicite universa germinantia in terra Domino!
    Jedes Kräutchen der Erde preise den Herrn!
    
    111
    
Allgemeines und Einteilung.
    Zu den Dingen, welche ich verabscheue und hasse, zählt als ein gründlich 
    und grundsätzlich gehaßtes das Geheimmittel-Wesen, die Krämerei 
    mit Heilmitteln, welche als Geheimnis des Erfinders gelten.
    
    Diesen Vorwurf soll mir niemand machen können. Darum öffne ich in 
    diesem zweiten Teil die Läden meiner Apotheke und lasse einen jeden hineinschauen 
    und hineinschmecken bis ins letzte Teeschächtelchen und ins kleinste 
    Ölfläschchen.[16]
    
    In jeder Apotheke steckt ein teures Geld; in der meinigen ist nicht viel Rares. 
    Ich gestehe dieses sehr gerne zu und betrachte diesen leicht möglichen 
    Vorwurf als einen großen Vorzug meiner Apotheke.
    
    Fast sämtliche meiner Tees und Extrakte, Öle, Pulver rühren 
    von früher geachteten jetzt vielleicht verachteten spottbilligen Heilkräutern 
    her, welche der liebe Herrgott im eigenen Garten, auf freiem Felde, manche 
    ums Haus herum an abgelegenen und unbesuchten Stellen wachsen läßt, 
    Heilkräutern, die meistens keinen Pfennig kosten.
    
    Mein Büchlein ist ja in erster Linie für arme Kranke geschrieben, 
    für welche ich auch, den Himmelslohn im Sinne habend, dieses opfervolle 
    Handwerk treibe oder, wenn man will, andern ins Handwerk pfusche. 
    Für sie suchte ich mit Absicht all die gleichfalls armen alten Bekannten 
    auf, vieles andere beiseite lassend. Lange Jahre hindurch habe ich sondiert 
    und geprüft, getrocknet und zerschnitten, gesotten und gekostet. Kein 
    Kräutchen, 
    
    112
    kein Pulver, das ich nicht selbst versucht und als bewährt befunden habe! 
    Ich wünsche nur das eine, daß die alten Bekannten zu neuen Ehren 
    gelangen, bei einer Klasse von Menschen wenigstens.
    
    Ich habe mich lange besonnen, ehe ich mich entschloß, den für sich 
    allein ausreichenden und genügenden Wassermitteln diese Apotheke, d. 
    i. dieses Verzeichnis der dem Wasser von innen heilsam entgegenwirkenden Hilfsmittel, 
    anzufügen. Es könnte wie eine Mißtrauens-Kundgebung gegen 
    die Wasserheilkraft aussehen.
    
    Doch es gibt Kranke, welche aus unüberwindlicher Wasserangst sich schwer 
    zu einer oft notwendigen längeren Wasserkur entschließen können. 
    Diesen wollte ich es erleichtern, mit anderen Worten: die Wasseranwendungen 
    reduzieren, vereinfachen und die Zeit des Gebrauches abkürzen. Solches 
    aber kann und wird geschehen, wenn ich der äußeren Kur (mit Wasser) 
    durch eine innere Kur (die Heilmittel) in die Hand arbeite.
    
    Wer sämtliche Artikel dieser Apotheke überblickt, sieht sofort, 
    daß sie wie die gesamten Wasseranwendungen selbst dreifachen Zweck haben: 
    ungesunde, kranke Stoffe im Innern aufzulösen, auszuleiten, sodann den 
    Organismus zu kräftigen. Insofern glaube ich mit vollem Rechte behaupten 
    zu können, daß beide Verfahren, das innere und das äußere, 
    zusammenstimmen und einheitlich zusammenwirken. Ich warne vor einer Täuschung. 
    Wer glaubt, er müsse die Wasserkur recht strenge und ernst anwenden, 
    irrt.
    
    Wer meint, er müsse nach innen recht häufig und viel anwenden, irrt 
    ebenfalls. Immer und in allen Fällen gilt der goldene Grundsatz: die 
    gelindeste, ob äußere oder innere Anwendung ist die beste.[17]
    
    Pflanzen mit zweifelhafter Wirkung, wie Eibisch, Süßholz usw.; 
    mit den geringsten ungünstigen Wirkungen, z. B. 
    
    113
    auf den Magen, wie Senesblätter, Hopfen usw.; Giftpflanzen vollends habe 
    ich grundsätzlich übergangen.[18]
    
    Wie gut Gott ist! so drängt sichs mir aus dem Herzen! Nicht bloß 
    was zur Erhaltung des Lebens, zu des Leibes täglichem Brot notwendig 
    ist, läßt er uns wachsen; er, der in unendlicher Weisheit alles 
    nach Maß, Zahl und Gewicht geschaffen, läßt in väterlicher 
    Liebe zahllos auch diejenigen Kräutchen aus der Erde hervorschießen, 
    welche den Menschen in kranken Tagen Trost, seinem in Schmerzen sich windenden 
    Körper Linderung und Heilung verschaffen.
    
    Wie gut Gott ist! Daß wir Einsicht haben! Den Pflänzchen, welche 
    durch die ihnen vom Schöpfer angehängten Riechfläschchen, den 
    würzigen Heilduft, sich selbst uns ankündigen und freundlich und 
    zuvorkommend stellen, wollen wir fleißig nachgehen und beim Pflücken 
    eines jeden mit kindlichem Danke unsern unendlich liebevollen Vater preisen, 
    der im Himmel ist!
    
    Unsere Hausapotheke soll 4 Hauptabteilungen oder Hauptfächer und einige 
    kleinere Nebenfächer enthalten.
    
    In die Hauptfächer stellen wir:
    in das erste die Tinkturen,
    in das zweite, größte, die Teesorten,
    in das dritte die Pulver,
    in das vierte die Öle.
    
    In die Nebenfächer kommt wieder gut geordnet alles andere, was nicht 
    unter obige vier Abteilungen fällt. Auch die Leinwandabfälle zum 
    Überbinden und Überlegen (stets rein und frisch), die Baumwolle 
    usw. können eines der Nebenfächer einnehmen.
    
    Die Tinkturen und die Öle müssen in Gläsern aufbewahrt werden, 
    die verschiedenen Tee und Pulver entweder in festen Papiertüten oder 
    besser in Schachteln. (Wer neue machen läßt, soll sie länglich 
    rund und gleichmäßig, wenn auch in verschiedenen Größen, 
    machen lassen, daß sie dastehen wie Soldaten 
    
    112
    in Reih und Glied. Das macht einem jeden Freude und gibt der Hausapotheke 
    ein Ansehen - und das gehört ihr auch.) Alles an einem kühlen, jedoch 
    nicht feuchten (daß sich nicht Schimmel ansetze) und nicht allzu abgelegenen 
    Orte im Hause!
    
    Auf einem jeden Glase oder Fläschchen, auf jeder Schachtel oder Dute 
    soll genau und für jedermann gut leserlich die Aufschrift des Inhaltes 
    stehen. Am besten werden sodann die verschiedenen Heilmittel in jeder Abteilung 
    alphabetisch, d. i. nach dem ABC geordnet. Was mit A anfängt (z. B. Alaun), 
    marschiert am Anfang auf, was mit Z beginnt (z. B. Zinnkraut), bildet den 
    Schluß der Reihe.
    
    Vor allem soll in der Hausapotheke große Ordnung sein. Jeder Fremde, 
    welcher dieselbe bisher nie gesehen, muß im Augenblick jedes Fläschchen, 
    jeden Tee usw. finden. Dann muß große Reinlichkeit herrschen. 
    Auf keiner Schachtel darf, ich will nicht sagen liniendicker, es darf gar 
    kein Stäubchen liegen; an keiner Flasche, selbst nicht an einer Ölflasche 
    dürfen Schmutz- oder Ölflecke wie nachlässig gekämmte 
    Haare herunterhängen. Nichts entehrt ein Haus mehr als Unreinlichkeit; 
    merke wohl: nach zwei Dingen hauptsächlich beurteilt man - und zwar mit 
    vollem Rechte und meistens sehr wahr - das ganze Haus. Sind diese in Ordnung, 
    so ist, schließt man, alles in Ordnung. Sind sie unordentlich, so heißts: 
    in diesem Hause, in dieser Wohnung müssen die Einwohner recht unordentliche 
    Leute sein. Willst du die beiden Dinge wissen? Sie heißen:
    
    Hausapotheke und Abort.
    
    Am besten wird es mit der Ordnung der Hausapotheke bestellt sein, wenn die 
    Hausmutter oder ein fleißiger Sohn oder die reinlichste und ordnungsliebendste 
    Tochter die Sorge und Verantwortung übernimmt. Sie wird die pünktlichste, 
    gewissenhafteste Reinlichkeitspflege als Ehrensache betrachten und den Staublumpen 
    stets in einer Ecke bereit liegen haben. Wenn sie ihr Amt gut verwaltet, das 
    ja fürs ganze Haus, für alle Glieder desselben von Segen ist, darf 
    sie mit Freuden an jenes Wort des göttlichen Heilandes denken: Was 
    ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.
    
    Was so eine kleine Hausapotheke annähernd enthalten soll, habe ich am 
    Ende dieses zweiten Teiles angegeben.[20] Ich rate ab von allem nicht Notwendigen. 
    Man kann gelegentlich das eine oder andere Mittel beifügen.
    
    Hier soll nur noch ein Wort stehen über die Bereitung der Tinkturen, 
    des Tees, der Pulver.
    
    115
    
Tinkturen oder Extrakt.
    Die inneren Kräfte, die Heilsäfte können aus einer Pflanze 
    in verschiedener Weise ausgezogen werden. Den besten, stärksten Auszug 
    erhalten wir im eigentlichen, sogenannten Extrakt:
    
    Der Extrakt wird folgendermaßen bereitet:
    
    Man sucht unter den Kräutern, Beeren usw., aus denen man den Extrakt 
    gewinnen will, die besten aus: die reifsten, die untadelhaften; diese trocknet 
    man auf einem Brett an der frischen Luft, stets (das merke man sich gut) jedoch 
    im Schatten, niemals an der Sonne. Beim Trocknen wird sich noch manches zeigen, 
    was als untauglich verworfen werden muß.
    
    Nachdem die Kräuter, Beeren usw. gut getrocknet sind, zerkleinere, zerschneide 
    man sie, wenn notwendig, und bringe sie in eine verschließbare Flasche 
    (Weinflasche). Diese nun wird mit echtem Kornbranntwein - den ich allem andern 
    vorziehe - oder in dessen Ermangelung mit reinem Spiritus oder Fruchtbranntwein 
    aufgefüllt und luftdicht verschlossen für einige Zeit an einen mäßig 
    warmen Ort gestellt.[21] Ich habe derart gefüllte Flaschen schon ein 
    Jahr lang und noch länger ruhig stehen lassen und dann erst den mit dem 
    ausgezogenen Saft des betreffenden Heilmittels durchtränkten Spiritus 
    als Extrakt abgegossen. Im Not- und Bedarfsfalle kann man denselben schon 
    nach wenigen Tagen des Ansatzes in Gebrauch nehmen.
    
    Die Tinkturen nimmt man tropfenweise; in gewissen Fällen, (es ist dieses 
    jedesmal ausdrücklich angegeben) wird auf den Kaffeelöffel (kleineres 
    Maß) und auf den Eßlöffel (größeres Maß) 
    hingewiesen.
    
    
Tee.
    Bei trockener Witterung, vielleicht wenn du vom Felde heimkehrst, oder wenn 
    du hinausgehst, den Stand der Saaten zu betrachten, mache einen Abstecher 
    und sammle da diese, dort jene Heilkräuter. Was auf trockenem Grunde 
    wächst, gar an sonnigen Berghalden verdient den Vorzug, und welche Pflanzen 
    du in der schönsten Blütezeit sammelst, diese werden dir die herrlichste 
    und in Leiden die gesegnetste Frucht bringen. Manches der Kräuter und 
    Kräutchen wächst in deinem Gras- oder Gemüsegarten, am Haus 
    oder an der Scheune. Du brauchst nur dem zehnjährigen Knaben oder deinem 
    kleinen Mädchen es vorzumachen, 
    
    116
    wie sie es anstellen sollen, und du verlierst beim Sammeln der Kräuter 
    keinen Augenblick und bereitest deinen Kindern eine Freude. Die Garten- und 
    Feldkräuter sollen jedes Jahr erneuert d. h. neugesammelt, die alten 
    weggegeben werden.
    
    Jede Hausmutter versteht es, jedweden Tee zu bereiten. Von den getrockneten 
    Kräutern (über das Trocknen lies das auf der vorhergehenden Seite 
    Gesagte) nimmt sie zu einer Tasse, soviel sie mit drei Fingern fassen kann, 
    gießt in das Pfännchen über die Teeblätter oder Blüten 
    sprudelndes Wasser und läßt es einige Minuten aufkochen, dann schüttet 
    sie den fertigen Tee ab.
    
    In dieser Weise bereiteter Tee hat den feinsten Geschmack mit dem besten, 
    jeder Pflanze eigentümlichen Aroma, aber es ist nicht der kräftigste 
    Tee.
    
    Bei mir werden die Kräuter durch längere Zeit förmlich abgekocht, 
    gründlich ausgesotten, daß auch nicht ein Teilchen der Heilkraft 
    verloren geht, vielmehr alle im Wasser gefangen wird.
    
    Die Art des Einnehmens, ob tassen-, ob löffelweise, ist bei jeder einzelnen 
    Krankheit genau angegeben.
    
    
Pulver.
    Das Pulver wird gewonnen, indem die trockenen Wurzeln, Blätter, Körner 
    oder Beeren der Heilpflanzen zerrieben oder im Mörser zerstoßen 
    werden.
    
    Manchen Kranken ist damit leichter beizukommen als mit Tee. Man streut ihnen 
    das vorgeschriebene Pulver wie Gewürz (Pfeffer, Zimmt usw.) an eine Speise 
    oder mischt es an einen Trank, daß sie desselben gar nicht gewahr werden.
    
    Die Gefäße, welche zur Aufbewahrung der verschiedensten Pulver 
    dienen, seien des Staubes wegen recht sorgfältig verschlossen.
    
    
Öle.
    Die Bereitung der Öle, soweit dieselben nicht in der Apotheke gekauft 
    werden, ist bei jeder Krankheit, in der ein solches zur Verwendung kommt, 
    jedesmal besonders angegeben.
    
    An der Reinhaltung der Ölfläschchen insbesondere wird man den Sinn 
    für Ordnungsliebe, Reinlichkeit usw. erkennen.
    
    117 
    
Heilmittel.
    In alphabetischer Aufzählung sind die von mir verwendeten Heilmittel[22] 
    folgende:
    Alaun
    Aloe
    Angelika oder Engelwurz
    Anis
    Gänsefingerkraut
    Arnika
    Zwerghollunder
    Augentrost
    Ausscheidungsöl 
    Baldrian
    Sumpfklee
    Brennessel
    Dornschlehblüte
    Eibisch
    Eichenrinde
    Enzian
    Erdbeere
    Fenchel
    Bockshornklee
    Hafer
    Hagebutten
    Weihrauchkörner
    Heidelbeere
    Hollunder
    Honig
    Huflattich
    Johanniskraut
    Kamille
    Kampfer
    Kleie
    Knochenmehl
    Kohlenstaub
    Lebertran
    Leinsamen
    Lindenblüten
    Malve
    Mandelöl
    Minze
    Pfefferminze
    Wasserminze
    Mistel
    Nelkenöl
    Gartenraute
    Weinraute
    Rosmarin
    Salatöl
    Salbei
    Santala
    Sauerkraut
    Schlüsselblume
    Lavendelöl
    Spitzwegerich
    Tausendguldenkraut
    Veilchen
    Wacholderbeere
    Wegwart
    Wermut
    Wühlhuber I
    Wühlhuber II
    Wollkraut
    Zinnkraut
    
    157
    
Anhang
    Rezept zur Bereitung des Kleienbrotes 157
    
Etwas über die "Kraftsuppe" 158
    
Bereitung des Honigweins 159
    
Inhalt einer kleinen Hausapotheke 160
    
    161
    
Dritter Teil.
    Krankheiten.
    
    163
    Einleitung
    
    164
    Alphabetisches Verzeichnis der Krankheiten
    Asthma
    Atmungsbeschwerden
    Augen
    Ausschläge
    Auszehrung
    Beinfraß
    Bettnässen
    Blasenkatarrh
    Blasenleiden
    Blasenstein
    Blattern (Pocken)
    Blutarmut (Anämie)
    Blutbrechen, Blutsturz
    Blutfluß
    Blutvergiftung
    Blutzersetzung
    Bruchleiden
    Cholera
    Cholerine
    Congestionen 
    Darmentzündung
    Darmleiden
    Darmkatarrh (Durchfall)
    Diphtherie
    Lungenemphysem
    Entkräftung
    Entzündung
    Lungenentzündung
    Epilepsie
    Fieber
    Flechten
    Fußgeschwüre
    Fußleiden
    Geburten
    Gehirnentzündung
    Gehirnleiden
    Geisteskrankheit
    Gelbsucht
    Gelenkrheuma
    Gemütsleiden
    Geschwüre
    Knochengeschwüre
    Gesichtsrose
    Gicht
    Gichtleiden
    Griesleiden
    Steinleiden
    Hämorrhoiden
    Halsbräune
    Halsleiden
    Harnbeschwerden
    Heiserkeit
    Herzleiden
    Hexenschuß
    Ischias (Hüftnervenentzündung)
    Hypochondrie
    Impfschaden
    Katarrh
    Kniegeschwulst
    Kolik
    Kopfflechten
    Kopfleiden
    Krämpfe
    Krätze
    Krebs
    Leibschaden
    Lungenleiden
    Magengeschwür
    Magenkrampf
    Magenleiden
    Magensäure
    Migräne
    Nervenerschöpfung
    Nervenleiden
    Nervenüberreizung
    nervöses Kopfleiden
    Nervenzerrüttung
    Nierenleiden
    Ohrenkrankheit
    Ohrensausen
    Rheuma
    Rotlauf
    Rückgrat
    Ruhr
    Säuferwahnsinn
    Scharlachfieber
    Schlaflosigkeit
    Schlaganfall
    Schleimfieber
    Schweiß
    Körperschweiß
    viel schwitzen
    leicht schwitzen
    Schwermut
    Schwindel
    Schwindsucht
    Steinleiden
    Stimme Verlust
    Typhus
    Unterleibsverschleimung
    Verbrennungen
    Veitstanz
    Vergiftungen des Blutes
    Verstopfung
    Wassersucht (Ödeme)
    Wirbelleiden
    Würmer